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Alois Flatz – Mit grünem Impact

Alois Flatz Der Bergbauern-Sohn entwickelte einst den ersten Nachhaltigkeits-Index der Welt. Heute erteilt er dem ESG-Hype eine Absage.

Seine Dissertation an der Uni St. Gallen schrieb Alois Flatz über Kreislaufwirtschaft am Beispiel von Verpackungsrücknahmen. Ihr Sohn schreibe über «Müll», bemerkte Flatz’ Mutter damals träf. Das war Mitte der Neunziger Jahre, als die hiesigen Banken die Steuerhinterziehung noch als Geschäftsmodell verstanden und gerade damit beschäftigt waren, nachrichtenlose Vermögen aus dem Zweiten Weltkrieg zu rechtfertigen. Trotz dieses ersten «Tolggen» im Swiss-Banking-Reinheft zog es die meisten seiner St. Galler Kommilitonen nach dem Eliteuni-Abschluss in die Finanzwirtschaft, erinnert sich Flatz: 

«Die gingen entweder zu einer Investmentbank oder in die Wirtschaftsberatung. Oder sie befeuerten mit hochtrabenden Business Plänen die New-Economy-Blase».

ESG existiert noch gar nicht 

Flatz, der beim VWL-Professor und Wachstumskritiker Hans-Christoph Binswanger promoviert hatte, lockte nicht das schnelle Geld. Ihn trieb vielmehr das «sinngebende Element» an, wie er rückblickend sagt. Dabei dürfte seine Jugend, als Ältestestes von sechs Kindern, auf einem Bauernbetrieb im Bregenzerwald, prägend gewesen sein. «Wir lebten nah an der Natur, und an deren Kreisläufen.» Statt bei McKinsey oder der UBS anzuheuern, bewarb sich Flatz auf eine Jobannonce, die er in der NZZ gesehen hatte: Das Inserat stammte von einer Zürcher Jungfirma namens Sustainable Asset Management. SAM war kurz zuvor von zwei ehemaligen Vontobel-Bankern gegründet worden und setzte auf nachhaltige Investment zu einem Zeitpunkt, als das «Buzzword» ESG noch gar nicht existierte. 

Nachhaltige Investments hatten damals eher den Makel des Verschrobenen, ja gar des Abseitigen. Flatz erinnert sich, dass ihn ein österreichischer Bankchef, der Vater eines engen HSG-Freundes, anrief und ihm entgeistert erklärte: Mit so prestigeträchtigen Abschlüssen gehe man doch nicht zu einer «grünen Bank». Flatz hielt trotzdem am Job fest und baute für SAM hernach den gesamten Investment-Prozess und das Anlage-Research auf. 

Schweizer Börse gibt Alois Flatz einen Korb

Was SAM jedoch fehlte war ein passender Benchmark-Index. Denn deren nachhaltige Anlage-Portefeuilles wurden stets an den gängigen Indices gemessen wie dem MSCI World. So kamen wir auf die Idee, einen eigenen Index zu entwickeln, erinnert sich Flatz. Ein harziger Weg stand bevor. «Die Schweizer Börse SIX interessierte sich nicht dafür, die EuroStoxx auch nicht.» Aber immerhin kam der Kontakt zu Dow Jones zustande. Flatz flog zum ersten Mal im Leben nach New York und präsentierte im Big Apple seinen Nachhaltigkeitsindex. Die Idee: Aus jeder Branche und jedem Sektor sollten die zehn Prozent Besten aus dem Dow Jones Index vertreten sein, der die 2’500 grössten Firmen der Welt umfasst.  Die Kriterien sollten ökologische, aber auch soziale Aspekte wie Human Ressource Management berücksichtigen, was damals eine Novität war.

Doch wie fand Flatz überhaupt heraus, welches die nachhaltigsten Unternehmen im Dow Jones Index waren? Die Geschäftsberichte waren damals nämlich noch fast pure Finanzabschlüsse. Auch das Internet steckte noch in den Kinderschuhen. «Wir haben alle 2500 Firmen per Post mit einem Fragebogen angeschrieben und hofften auf Rücklauf», sagt Flatz lachend. Je nach Weltregion fiel das Feedback unterschiedlich aus. Vor allem in Asien musste er Nachhaltigkeit als Thema den angefragten Firmen überhaupt zuerst erklären. 

Auch Dow Jones hatte zunächst Bedenken wegen dem Nachhaltigkeitsindex. «Sie wollten sicher sein, dass unser Bewertungsprozess, unser Scoring auch wirklich empirisch nachvollziehbar ist und liessen es durch einen Wirtschaftsprüfer checken», erinnert sich Flatz. Denn Dow Jones war zu jener Zeit auch die Herausgeberin des Wall Street Journals und fürchtete sich vor möglichen Inserate-Boykotten, sollten sich einzelne Grosskonzerne abgestraft fühlen. 

Enorme Visibilität 

Nachdem auch diese Bedenken ausgeräumt waren, wurde im September 1999 der Dow Jones Sustainability Index lanciert. Ein Joint Venture des grossen Dow Jones mit der kleinen SAM. Der Index habe dem Zürcher Startup eine «enorme Visibilität» gegeben, sagt Flatz im Rückblick. Aber auch die indexierten Firmen merkten rasch, dass ein eine Aufnahme in den Index geldwert ist. So fingen Firmen wie BP oder Shell an, sich das «DJSI-Leader-Logo» möglichst visibel anzuheften. 

Obwohl Index-Erfinder Flatz wohl einer jener Exponenten ist, welche die ESG-Welle ins Rollen gebracht hat, steht er der Entwicklung inzwischen kritisch gegenüber: Die Banken würden darin vor allem eine Chance sehen, neue Produkte zu verkaufen. «Auch bei ESG geht es in erster Linie um die Rendite. Danach bastle ich mir eine grüne Story». Er sieht denn aktuell auch «Peak Green Washing» erreicht. 

Alois Flatz sieht gigantische Chancen 

Natürlich sei es grundsätzlich positiv, dass derzeit so viel Kapital nachhaltige Finanzprodukte fliesse. Aber: 25 Jahre ESG-Investments hättten gezeigt, dass wir damit den Klimawandel damit nicht aufhalten werden, so Flatz: «Wir müssen ganz anders denken. Im gleichen Trott geht es nicht weiter». Ein Beispiel: Was nütze es, wenn zwar der Durchschnittsverbrauch pro Fahrzeug sinke, aber es immer mehr Fahrzeuge auf den Strassen gebe? 

Mehr Effizienz reiche eben nicht, gefragt seien Ansätze fürs Lösen konkreter Probleme, findet Flatz. Und das wohl drängendste Problem ist dabei klar umrissen. «Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel von Paris erreichen wollen, dann müssen wir den schädlichen Klimagas-Ausstoss um etwa die Hälfte reduzieren bis 2030, also in achteinhalb Jahren». Das gehe entweder über Verbote oder über den Preis. Für Nachhaltigskeitsexperten ist die Antwort klar: CO2-Emissionen zu besteuern, sei der effizienteste Ansatz. Mit den richtigen Preismechanismen erhielte die Wirtschaft rasch Anreize, klimafreundliche Lösungen zu entwickeln. Trotz der akuten Herausforderungen fürs Weltklima bleibt deshalb Flatz Optimist: «Die Chancen der Transformation sind gigantisch». 

Bauteile mit berechnetem Klimaabdruck

Sein Optimismus speist sich nicht zuletzt aus dem eigenen Engagement als Investor und Berater von Jungunternehmen. Dabei engagiert sich Flatz nur in Startups, die Lösungen mit einem direkten «Impact» aufs Klima haben. Als Beispiel nennt er Zürcher Startup Fision, das letzten Herbst vom E-Fashion-Giganten Zalando übernommen wurden. Dank der 3D-Technologie von Fision mit ihrer virtuellen Umkleidekabine kann Zalando die klimaschädlichen Retouren reduzieren. Diesen Klima-Effekt hat Flatz auch bei seinem Engagement für Inyova, dem Zürcher Impact-Investor, oder Crate.io, dem Vorarlberger Deep-Tech-Unternehmen. Flatz’ jüngstes Mandat ist eine Wiener Software-Firma namens Tset, die eine CAD-Plattform für die Autozuliefer-Industrie entwickelt hat. Das Programm errechnet exakt die Kosten für ein Bauteil, das darauf entwickelt wird. 

Das bedeutet: Bereits auf der Designstufe lassen sich kostengünstigere Lösungen entwickeln. Gleichzeitig ermittelt die Tset-Software automatisch die CO2-Emission pro Bauteil. Das Beispiel ist idealtypische Impact-Lösung, für das, was Flatz schon vor zwanzig Jahren(!) in einem Interview zum «Auto der Zukunft» sagte: «Die Mobilität muss sich vom Menschen her ändern, aber auch die Autokonzerne müssen reagieren.» Nur so lasse sich der Ausstoss von CO2 reduzieren. 

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Stromhandel – Insidergeschäfte ohne Folgen

Stromhandel Insiderhandel und Marktmanipulation sind in der Schweiz nicht verboten. Der Bund ist seit Jahren untätig.

Vor wenigen Tagen verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zum neuen Energiegesetz. Die Monstervorlage umfasste vom Messwesen über die Strommarktöffnung bis zur Versorgungssicherheit so ziemlich alle heissen Themen der Elektrizitätswirtschaft. Was jedoch fehlte, waren Transparenzvorschriften im Stromhandel. «Im Grundsatz gehören Marktmanipulation und Insiderhandel sanktioniert, aber bislang fehlt in der Schweiz leider die gesetzliche Grundlage dafür», sagt Renato Tami von der Elektrizitätskommission. Die ElCom fordert seit Jahren Strafbestimmungen für Insider- und Marktmissbrauch.

Lückenhafte Marktüberwachung im Stromhandel

Zuletzt wieder in ihrer Vernehmlassungsantwort zum Stromversorgungsgesetz. Darin verlangt die Aufsicht auch «eine gesetzliche Grundlage für die Erhebung von Daten zum Marktplatz Schweiz». Denn bis dato hat die ElCom nur einen eingeschränkten Einblick in den Schweizer Stromhandel. Die Marktüberwachung umfasst nur jene Handelsgeschäfte, bei denen Schweizer Strom in die EU exportiert wird. Dabei stützt sich die ElCom auf Daten ihrer EU-Partner. Wird Strom in die Schweiz importiert beziehungsweise handeln Schweizer Akteure unter sich, dann bleiben diese Trades für die Aufsicht eine Blackbox. Das müsste die Öffentlichkeit kümmern, denn eine lückenhafte Marktüberwachung ohne Sanktionen birgt das Risiko, dass die Preisbildung verfälscht wird. Zum Nachteil der Endkunden.

Während Schweizer Stromhändler also unbehelligt und straflos ihren Geschäften nachgehen können, kennt die EU seit zehn Jahren ein Verbot von Marktmanipulation und Insiderhandel sowie Transparenzpflichten. Diese sogenannte Remit-Verordnung zeigt Wirkung. Die Zahl der aufgedeckten Marktmanipulationen nimmt stetig zu. Die EU spricht empfindliche Geldstrafen aus.

Illegale Leerverkäufe

Ein solches Aufsichtsregime wäre auch hierzulande wünschenswert für die Versorgungssicherheit. Das zeigen Beispiele aus der EU: In Grossbritannien wurden falsche Angaben über die Verfügbarkeit systemrelevanter Kraftwerke gemacht. Und in Deutschland tätigten Händler illegale Leerverkäufe im Regelenergiemarkt, die fast zu einem Blackout führten.

Auf die Frage, weshalb es weiterhin an gesetzlichen Transparenzpflichten mangelt, schreibt das Bundesamt für Energie: Die Remit-Umsetzung sei für eine «spätere Revision des StromVG» geplant gewesen, mit der dann gleichzeitig auch die Umsetzung des Stromabkommens mit der EU erfolgt wäre. Da das Stromabkommen nun «in nützlicher Frist» nicht zustande komme, «sind wir daran, die Lage zu analysieren und dann zu entscheiden, wie das Thema weiter behandelt werden soll».

Ethische Senke

Der frühere ElCom-Präsident Carlo Schmid-Sutter warnte bereits vor sechs Jahren: Wenn an einem Ort regeln verschärft würden, dann gebe es immer Leute, die diesen Regeln auszuweichen versuchen und Standorte suchen, wo solche Regeln noch nicht bestünden. «Dann wird die Schweiz zu einer ethischen Senke.» Inzwischen ist sie es.

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Terraoil – Wie Credit Suisse & Co Warnsignale in den Wind schlugen

Terraoil Die Credit Suisse ist Hausbank der Firma Terraoil und vermittelte ihr einen Coronakredit. Obwohl es Hinweise auf Geldwäsche gab.

Die Pläne der Terraoil waren hochtrabend. 2011 siedelte der albanische Erdölförderer in der Schweiz an. In St. Gallen bezog die Firma zunächst eine Jugendstilvilla im Osten der Stadt. Der kantonale Volkswirtschaftsdirektor Benedikt Würth lobte damals die Ansiedlung als «sehr erfreulich». Denn Terraoil verkaufte sich den hiesigen Standort-Förderern gegenüber als aufstrebende Cleantech-Firma. Die Ölfirma behauptete nämlich, ein neuartiges Förderverfahren anzuwenden, bei dem nebst Schwarzem Gold gleichzeitig auch noch CO2-freier Strom anfällt. Mit ihrem mehrfach patentierten sogenannten Hertel-Motor» würde Verdampfungsenergie einer Flüssigkeit mittels Erdwärme und Mikrowellen erzeugt und dann einem Motor zugeführt, der daraus klimafreundlichen Strom generiert. 

Warnlampen auf rot 

Was obskur tönt, ist es wahrscheinlich auch. Bereits im Artikel des St. Galler Tagblatts von 2011 anlässlich der Ansiedlungder Firma leuchten Warnlampen auf. Angefragte ETH-Fachleute haben entweder noch nie etwas von diesem sogenannten Hertel-Motor» gehört oder sie bezeichnen dessen Technik als «suspekt». Mehr noch: Hinter dem angeblichen Wunder-Motor steckt ein Erfinder namens Wolfgang Hertel, der bald darauf als Verwaltungsrat bei Terraoil Einsitz nimmt. Der Deutschkanadier mit Wohnsitz Tirana sass zuvor bei einer Zuger Firma namens IEC Europetrol. Diese hatte ebenfalls Verbindungen nach Albanien und zu dortigen zweifelhaften Ölförder-Projekten, wie kanadischen Medien berichten. Und eben dieser Hertel wurde, zwei Jahre zuvor, in London verhaftet aufgrund eines internationalen Haftbefehls. Kanada wollte ihn wegen Steuerdelikten in Millionenhöhe zur Verantwortung ziehen. Die Auslieferung nach Übersee scheiterte. Stattdessen tauchte Hertel als Motoren-Heilsbringer fürs die angebliche Cleantech-Firma Terraoil im St. Galler Handelsregister. 

Mit anderen Worten: Alleine schon ein einfacher Personen- und Faktencheck beziehungsweise eine Zeitungslektüre hätte genügt, um herauszufinden, dass bei Geschäften mit Terraoil für die CS erhöhte Vorsicht geboten ist. So verlangt es grundsätzlich das Geldwäschereigesetz. Und dies bestätigt auch Peter V. Kunz, Geldwäscherei-Experte und Professor für Wirtschaftsrecht, wie er jüngst in der Sendung «Kassensturz» sagte: Eine Bank habe eine Vielzahl von Möglichkeiten, so Kunz, mit denen sie klären könne, ob etwas faul sei. «Medienberichterstattungen sind ein Teil davon.» Das SRF-Konsumentenmagazin machte den Terraoil-Fall als erste publik. 

Wiederkehrendes Muster

Trotz dieser «red flags», wie es im Jargon heisst, ist die Credit Suisse seit Jahren Hausbank der Terraoil Swiss. Über Konten bei der Zürcher Grossbank und bei der Liechtensteiner Landesbank LLB wickelte der Zuger Erdölförderer einen beträchtlichen Teil seiner Geschäfte ab. Der «Handelszeitung» liegen diverse Spesen- und Kontoauszüge der Firma aus verschiedenen Geschäftsperioden vor. Dabei zeigt sich ein Muster: Zum Teil hohe sechsstellige Beträge werden bei Terraoil Swiss eingebucht und sofort weitergereicht. Die Beträge stammen jeweils von Kapitalgebern, die Terraoil-Aktien gezeichnet haben. Zwischenzeitlich hat gemäss Unterlagen die Firma über 200 Investoren. Die eingezahlten Beträge fliessen jedoch sogleich ab, und zwar als Darlehen («loans») an eine Tochterfirma in Albanien. 

Die kurze Verweildauer wirft Fragen auf. Allgemein gesprochen, sei dies zwar zulässig, aber  nicht üblich, findet Geldwäsche-Experte Kunz im «Kassensturz»: «Wenn Hunderttausende von Franken auf ein Konto eingezahlt werden und innert 24 Stunden geht das Geld wieder raus, dann muss die Bank erklären können, weshalb das so ist. Man braucht eine gute Erklärung, man muss nachfragen, man muss das abklären.» 

Terraoil weist Verlustvortrag von 55 Millionen Dollar aus

Sekundiert wurden die kontoführenden Banken bei Terraoil von renommierten Wirtschaftsprüfgesellschaften. Bis im Frühjahr 2020 testierte EY die Bücher der Erdölfirma. Seither ist es die BDO. Sie hat Mitte letzten Jahres auch den Abschluss für 2019 angefertigt. Dieser lässt tief blicken und nährt zugleich den Verdacht, dass es sich bei Terraoil um ein Fass ohne Boden handelt. 

So belaufen sich fürs Berichtsjahr die Einnahmen aus dem eigentlichen Kerngeschäft, der Ölförderung, bloss auf 2,5 Millionen Dollar. Demgegenüber stehen administrative Kosten von über 10 Millionen Dollar, wovon alleine die Lohnkosten für die fünf Angestellten der Zuger Muttergesellschaft 2,8 Millionen Dollar betragen. Ein stolzer Betrag. Für nicht näher bezeichnete Finanzberatungen gingen nochmals 3,6 Millionen Dollar drauf. Kurzum: Terraoil Swiss verbrannte im Berichtsjahr munter Geld. 2019 belief sich der Verlust auf über 11 Millionen Dollar. Es ist dies jedoch kein einmaliger, operativer Ausrutscher. Der Verlustvortrag der Gesellschaft seit Gründung beträgt ganze 55 Millionen Dollar.  

Buchprüfer BDO zweifelt an Terraoil

Das Setup scheint also die Gestalt eines von Beginn weg operativ unrentablen Durchlauferhitzers mit einer verhältnismässig hohen Kostenstruktur zu haben. Sie wird einzig durch wiederholte Kapitalspritzen am Leben erhalten. Selbst den Buchprüfern der BDO ist da nicht mehr ganz geheuer. Ihr bisher letztes Prüfurteil versehen sie mit dem Warnung, wonach «wesentliche Unsicherheiten in Bezug auf die Unternehmensfortführung» bestünden. Mit anderen Worten: Die Buchprüfer haben zumindest Zweifel, ob Terraoil Swiss überlebensfähig ist. 

Angesichts dieses Verdikts zum Prä-Corona-Geschäftsgang mutete es umso erstaunlicher an, dass die Hausbank Credit Suisse telquel Terraoil im Frühjahr 2020 einen vom Bund verbürgten Maximalkredit über eine halbe Millionen Franken vermittelte, wie die Handelszeitung seinerzeit berichtete. 

Ein Betrag übrigens, der deutlich höher ist also jene maximal zulässigen 10 Prozent des ausgewiesenen Umsatzes von 3,5 Millionen Franken fürs Geschäftsjahr 2019.

Inzwischen hat sich im Fall Terraoil die Staatsanwaltschaft Zug eingeschaltet. 

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Björn Näf – Bin Salmans Chefpilot

Björn Näf Der ehemalige Topmanager der Swiss hat einen der verschwiegensten Jobs der Airline-Industrie. Er pilotiert die Flotte des saudischen Königshauses.

Das Linkedin-Profil von Björn Näf bietet Raum für Spekulationen. Als Berufsbezeichnung steht da «CEO», als Arbeitsort «Kingdom of Saudi Arabia». Doch für welche Firma Näf im royalen Wüstenstaat tatsächlich arbeitet, gibt er in seinem Social-Media-CV nicht preis: Da steht seit Juli 2018 bloss «Confidential» in roten Lettern. Die Geheimniskrämerei hat ihre Bewandtnis. Denn Näf hat wohl einen der delikatesten Jobs in der gesamten Airline-Industrie gefasst.

Der ehemalige Swiss-Manager und frühere Gulf-Air-Boss ist seit drei Jahren Chef der Saudi Royal Aviation. Mit dieser «Head of State»-Airline lassen sich die gekrönten Häupter des Wüstenreichs um die Welt fliegen. Namentlich: die Nummer eins der absoluten Monarchie, König Salman, und die Nummer zwei, sein Sohn, Kronprinz Mohammed bin Salman, auch MBS genannt. Just dieser MBS geriet ins Kreuzfeuer der internationalen Kritik. Wenige Monate, nachdem Näf seinen Job als CEO der königlichen Flotte angetreten hatte. MBS soll nämlich den Mord am Regimekritiker und Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul angeordnet haben.

Angesichts möglicher Verstrickungen seines Chefs in ein Mordkomplott ist es verständlich, dass Näf seinen Job in der Wüstenmonarchie nicht an die grosse Glocke hängen möchte. Zumal die weltweite Kritik am saudischen Herrscherhaus Näfs Aufgabe, die gekrönten Häupter sicher von A nach B zu fliegen, nicht einfacher gemacht hat.

Sicherheit und Verfügbarkeit zählen

Im Telefongespräch mit der «Handelszeitung» gibt sich der erfahrene Airline-Manager zunächst zugeknöpft. Zitate zieht er schliesslich zurück. «Ich bin sicher, das kommt besser an.»

Dabei gibt es einiges zu erzählen zu Näfs Chefposten bei der Saudi Royal Aviation. Der Schweizer Expat dirigiert nämlich eine ausgewachsene Airline. Die SRA, so die Abkürzung der königlichen Flotte, dürfte wohl um die zwei Dutzend Fluggeräte zählen und mehrere Hundert Mitarbeitende stark sein. Es sind Passagier-Grossraumflugzeuge à la 747 oder Triple Seven, die auf die Bedürfnisse von Privat-Jet-Kunden zugeschnitten wurden. In der Schweiz würde diese operative Grössenordnung etwa für den Chefposten bei Helvetic Airways oder Edelweiss Air reichen. In Saudi-Arabien genügen dafür die gehobenen Transportbedürfnisse zweier Landesfürsten samt ihrer Entourage.

Es handelt sich um Bedarfsfliegerei auf höchstem Niveau. Die Ansprüche an die SRA verlangen eine «seamless mobility solution», also eine nahtlose Mobilitätslösung. Übersetzt heisst das: Solche «Very Very Important People» werden mit Helikoptern zu ihren «fliegenden Palästen» gebracht und von dort wieder zurück. Jederzeit und überall auf der Welt. Geld spielt da, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Was zählt, ist maximale Verfügbarkeit und Sicherheit. Mittlerweile behandelt die Herrscherfamilie offenbar auch das Thema Nachhaltigkeit prioritär. Als Beispiel dient die autofreie Öko-Musterstadt namens Neom im Norden des Landes. Sie gilt als Leuchtturmprojekt fürs postfossile Zeitalter des zweitgrössten Ölförderers der Welt. Zugleich pusht der jungdynamische MBS den Tourismussektor. Das Potenzial ist gross: Bietet Saudi-Arabien doch von hohen Bergen über spektakuläre Wüsten bis hin zu attraktiven Stränden die ganze Palette an massentouristischen Sehnsuchtsorten. Auch Expat Näf hat das Land in seinen drei Jahren bei der SRA bereits intensiv bereist.

Heftiger Widerstand

Er muss es wissen. Schliesslich hat der 55-jährige Airline-Manager Björn Näf im Laufe seiner Karriere schon in zahlreichen Weltgegenden gearbeitet. Anfang der 1990er Jahre startete der gelernte Feinmechaniker als Pilot bei der Crossair und schlug dann eine Konzernkarriere ein: Er brachte es bis zum designierten Chef der Swiss-Regionalflotte. Doch die Billigtochter hob nach heftigem Widerstand seitens der Piloten nie a

Näf kehrte – mit einem Harvard-Nachdiplom in der Tasche – der Schweiz den Rücken. Er hatte die organisierte Welt satt. Von der Teppichetage in Basel wechselte Näf zunächst in den afrikanischen Busch. Ein heilsamer Kulturschock, dem er sich als Leiter der Transafrik unterzog. Der Fracht-Carrier bediente im Auftrag des UNO-Welternährungsprogramms alle Krisenherde in Afrika, wie etwa Kongo, Uganda und Angola. Näf musste beispielsweise eine Luftbrücke im Sudan unterhalten. Täglich wurden so 16 Tonnen Nahrung aus einer Höhe von 700 Fuss mit sechs Hercules-Maschinen abgeworfen respektive verteilt. Der Transafrik-Job brachte ihn fast um seine Gesundheit: In Angola fesselte ihn die Malaria wochenlang ans Spitalbett.

Björn Näf übernahm Chefposten

Das afrikanische Abenteuer hatte ein Ende, als André Dosé seinen Swiss-Weggefährten zum Engagement in Bahrain überredete. Während Dosé den Chef bei der Gulf Air gab, war Näf fürs Operative zuständig. Doch das Schweizer Tandem hielt nur vier Monate. Dosé überwarf sich mit den Scheichs – und Näf übernahm den Chefposten mit 5000 Mitarbeitenden. Doch die Finanzkrise brachte die Gulf Air in Turbulenzen. Die Saudis blieben als Kundschaft aus und der bahrainische Staat mischte sich als Eigner immer stärker ins operative Tagesgeschäft ein. Das ging so weit, dass Airline-Chef Näf erst am Montagmorgen erfuhr, dass sein Sicherheitschef übers Wochenende vom Gulf-Präsidenten gefeuert worden war. Näf machte den Abflug und landete auf Umwegen in Hongkong. Dort arbeitete er während sieben Jahren bei Metrojet. Eine Gesellschaft, die Privatflugzeuge für vermögende Asiaten betreibt. Bis schliesslich vor drei Jahren das Angebot aus Saudi-Arabien winkte.

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Hans Ziegler – In doppelter Funktion

Hans Ziegler Der «Sanierer der Nation» steht vor Gericht. Der Vorwurf: Er soll sich als Multi-Verwaltungsrat an Geschäftsgeheimnissen bereichert haben.

Anfang April 2015 trifft sich der Verwaltungsrat der OC Oerlikon zu einer Sitzung im Kultur- und Kongresszentrum Luzern KKL. Dabei informiert der damalige Chef Brice Koch und sein Finanzchef die Verwaltungsräte, darunter Hans Ziegler, über die künftige Strategie des Industriekonzerns. Ein Traktandum: Ein streng vertrauliche Projekt namens «Viking». Die OC-Spitze fasst darin den Plan, seine Vakuum-Sparte verkaufen.

Zwei Tage nach der VR-Sitzung schreibt ein damaliger Schweizer Kadermann der Investment Bank Lazard ein E-Mail an seinen amerikanischen Arbeitskollegen: «Vacuum is for sale. (…) Just got this from a BoD member. We need to be very careful.» Mit anderen Worten: Ein Verwaltungsrat der OC Oerlikon hat den Lazard-Banker mit streng vertraulichen Internas aus der Sitzung im KKL versorgt. Gemäss Anklageschrift der Bundesanwaltschaft war dieser Maulwurf im OC-VR niemand geringerer als Hans Ziegler, einst als «Sanierer der Nation» so gefürchtet wie gefeiert.

Hans Ziegler soll Insider-Informationen für Kaufinteressentin geliefert haben

Ziegler hat gemäss Anklageschrift den Lazard-Banker nicht nur mit Insider-Informationen versorgt. Der Industriekapitän soll ein regelrechtes Doppelspiel aufgezogen haben. Denn was die OC-Oerlikon-Spitze damals nicht weiss und Ziegler auch nie gegenüber dem Industriekonzern offenlegt hat: Er ist bereits seit 2014 als «Senior Advisor» vertraglich an die Investment Bank Lazard gebunden. Bei Zieglers Insider-Tipp an den Lazard-Banker handelt es sich denn auch nicht um eine blosse Gefälligkeit. Denn einer der Kunden der Lazard ist seinerzeit Atlas Copco. Und just dieser schwedische Industriekonzern ist brennend am Kauf der Vakuum-Sparte von OC Oerlikon interessiert.

Und so kommt es, wie es kommen muss. Am 1. September 2016, gut eineinhalb Jahre nach Zieglers mutmasslichen Indiskretionen, vermeldet OC Oerlikon den «successful sale of the Vacuum Segment». Ein Unternehmenswert von rund einer halben Milliarde Franken wechselt die Hand. Die Käuferin heisst Atlas Copco.

Schweden kommen bei OC Oerlikon zum Handkuss

Wohl nicht zuletzt dank Zieglers tatkräftiger Mithilfe. Denn, gemäss Anklageschrift, soll dieser «mehrfach pflichtwidrig Geschäftsgeheimnisse des OC Oerlikon-Konzerns über das Verkaufsprojekt «Viking» an den Berater der Kaufinteressentin» mitgeteilt haben. Kurzum: Indem der «Sanierer der Nation» und «Senior Advisor» die Lazard-Banker mit vertraulichen Board-Insights aus dem OC-Konzern füttert, kommt deren Mandantin, Atlas Copco, schliesslich zum Handkuss beim Kauf der Vacuum-Sparte.

Angesichts dieser von der Anklage stipulierten Sachlage verwundert es wenig, dass im anstehenden Prozess gegen Ziegler & Co. die OC Oerlikon als Privatklägerin selbst auftritt. Dabei wird der Industriekonzern seine Zivilansprüche und Entschädigungsforderungen erst bei der Hauptverhandlung nächste Woche am Bundesstrafgericht auf den Tisch legen.

Für Ziegler hat der erfolgreiche Verkauf an Atlas Copco bare Münze bedeutet: Wenige Wochen nach der Vollzugsmeldung des Industriekonzerns stellt der OC-Verwaltungsrat der Lazard Bank über seine Privatfirma mit dem sinnigen Namen «Think & Act» eine Rechnung über 138’000 Euro, zahlbar innert dreissig Tagen auf Zieglers Konto bei der Zuger Kantonalbank. Der unverblühmte Zahlungszweck: «Senior Advisor Services provided by Mr. Hans Ziegler, (…) in connection with Atlas Copco A.B.». Das Rechnungsdatum lautet auf den 28. September 2016.

Optionsgeschäfte aus der U-Haft

Keine zwei Monate später, ab Mitte November, wird Ziegler für vierzehn Tage in Untersuchungshaft genommen.

Noch während dieser in U-Haft sitzt – und auch danach – nutzt er Insiderinformationen aus, die er aufgrund seiner privilegierten Stellung als Senior Advisor bei Lazard besitzt. Beispielsweise berät die Bank den US-Pharmamulti Johnson & Johnson bei der Übernahme der Baselbieter Pharmafirma Actelion. Ziegler erfährt davon und handelt über Monate mit seinem Swissquote-Konto wiederholt und mit Gewinn auf Actelion-Titel.

Kein Einzelfall: So soll Ziegler auch auf die Aktien des Luzerner Stahlkonzerns Schmolz+Bickenbach gewettet haben, in deren er im Verwaltungsrat sass. Gemäss Anklageschrift soll Ziegler mit derlei Insidergeschäften zwischen 2013 und 2016 insgesamt einen unrechtmässigen Gewinn von knapp 2 Millionen Franken erwirtschaftet haben.

Hans Ziegler wird wirtschaftlicher Nachrichtendienst vorgeworfen

Die Bundesanwaltschaft wirft Ziegler deshalb Ausnützen der Kenntnis vertraulicher Informationen sowie – im OC-Oerlikon-Fall – Verletzungs des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses, Bestechung Privater sowie wirtschaftlichen Nachrichtendienst vor.

Der Prozess gegen Hans Ziegler sowie einen ehemaligen Schweizer Kadermann der Investment Bank Lazard beginnt am 7. Juni in Bellinzona vor Bundesstrafgericht. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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Thierry Kneissler – Der Aussteiger

Thierry Kneissler Der Gründer von Twint arbeitet mittlerweile als Strategieberater. Er erklärt, warum die Banken im Digitalgeschäft zögerlich sind.

Die Welt verändert sich gerade radikal, lautet der erste Satz von Thierry Kneisslers Covid-19-Paper «mit Blick auf die Schweiz». Er verfasste die 32-seitige Strategie-Schrift samt konkreten Handlungsempfehlungen im April letzten Jahres, mitten im ersten Lockdown der Pandemie. Der Königsweg bedeute Impfung, doch das gehe noch «zwölf bis 18 Monate», schrieb er damals und sollte mit seiner Prognose Recht behalten. Inzwischen zeigt die Impfkampagne auch in der Schweiz Wirkung.

Doch längst hat Corona unsere Alltagsgewohnheiten nachhaltig verändert. Auch in Kneisslers eigentlicher Paradedisziplin, dem Zahlungsverkehr. So erlebt das elektronische Zahlen seit Corona einen regelrechten Boom. «Wir haben in einem Jahr eine Entwicklung durchgemacht, die sonst fünf Jahre gedauert hätte», sagt der Mitgründer und frühere Chef des Zahlungssystems Twint. Thierry Kneissler ist überzeugt: Viele Leute haben sich mit dem elektronischen Bezahlen angefreundet und werden die neuen Verhaltensmuster beibehalten.

Thierry Kneissler ist kritisch mit der eigenen Zunft

Der studierte Volkswirtschafter muss es wissen. Hat er doch 2018 eine klassische Bankerkarriere, zuletzt als Twint-Chef, an den Nagel gehängt und arbeitet seither als selbstständiger Strategieberater und Multi-Verwaltungsrat. Dabei zeigt sich der Ex-Finanzmann durchaus kritisch mit seiner angestammten Zunft und deren Digitalisierungsmühen. Obwohl die Finanzbranche nicht müde wird zu betonen, wie wichtig den Bankkunden der persönliche Kontakt sei, ist für ihn klar: «80 Prozent dessen, was eine Bank anbietet, kann ich gut online machen.» Doch Kneissler ist mitnichten ein Digital-Fundamentalist. «Die Maschine kann nicht alles.» So gebe es durchaus komplexe Finanzbedürfnisse, bei denen er gerne mit einem Menschen rede. Zum Beispiel in der Altersvorsorge. Ein Thema, das im jährlichen Sorgenbarometer der Credit Suisse stets die Topplätze belegt. Da könnte man gerade aus der Kombination von «gescheiten Algorithmen und guten Beratern» viel Innovatives schaffen, ist er überzeugt. Allerdings mangle es an konkreten Angeboten. Denn als Institut ein modernes Vorsorgeangebot zu entwickeln, brauche einen langen Schnauf. «Viele Banken sagen einfach, das kann unser Kundenberater.» Ein Trugschluss, findet er: Die Mehrheit der Berater an der Front wüssten doch auch nicht, wie eine Lebensversicherung tatsächlich funktioniere.

Das meiste ist «Me Too», findet Thierry Kneissler

Überhaupt mangelt es gemäss Kneissler den Banken hierzulande an Pioniergeist. «Ich hätte jetzt auch Mühe, die drei grössten Innovationen der letzten Jahre zu nennen.» Das meiste sei «Me Too», denn radikale Ansätze hätten in bestehenden Strukturen meist keine Chancen. Die Banken würden vor allem den Preisdruck im Digitalbusiness sehen und wollten sich damit nicht selber kannibalisieren.

Angesichts weiterhin stattlicher Margen im klassischen Bankgeschäft sei die Angst vor einem Ertragsverlust grösser als die Lust, Neues auszuprobieren. «Innovation entsteht selten dort, wo schon ein erfolgreiches Geschäft vorhanden war.» Dieser Umstand mag sich für das Institut irgendwann rächen. Aber die Eigenlogik für die Banker sei bis dato eben anders getrieben: «Wird einem Manager dafür gedankt, wenn er heute an die Lage in zehn Jahren denkt, oder misst man ihn an den heutigen Umsätzen?»

Nicht nur die Anreize fürs Management scheinen die Innovationslust der Finanzbranche zu bremsen. Es sind auch technologische Altlasten. Neue Lösungen in ein bestehendes Banksystem einzubauen, sei teuer und schwierig, weiss Kneissler aus eigener Erfahrung. Was im Moment den angestammten Akteuren zudem helfe, sei, dass die Kunden trotz Corona ihr Verhalten nur langsam ändern würden. Mit anderen Worten: Solange Herr und Frau Schweizer träge bleiben, geht es auch den Banken gut.

Die gegenwärtigen Aktivitäten reichen nicht

Doch die nächsten Umwälzungen stehen bereits an. Das neue Zauberwort lautet «Embedded Finance». Damit würde sich der Umgang der Kunden mit Finanzdiensten radikal ändern, prophezeit Kneissler. Im Prinzip geht es um branchenübergreifende Lösungen. Also die Verbindung einer Nicht-Bank wie eines Detailhändlers mit einer Finanzleistung, also beispielsweise einem Kredit, einer Versicherung oder einer Zahlung. Ein konkretes Beispiel hier ist jene Hausratversicherung namens Hemsäcker, welche das Möbelhaus Ikea anbietet, oder jene Bezahldienste, die der Mobilitätsanbieter Uber für Kunden und Fahrer offeriert. Schätzungen gehen davon aus, dass sich das «Embedded Finance»-Volumen in zehn Jahren weltweit auf 7200 Milliarden Dollar belaufen wird.

Kneissler mahnt: Die gegenwärtigen Aktivitäten der Schweizer Banken würden nicht ausreichen, um die Kunden von morgen halten zu können. Nicht zuletzt, weil die Banken nicht die Kultur haben, um ein «Love Brand», also eine geliebte Marke, zu werden, findet Kneissler.

Klare Worte von einem, der zwanzig Jahre Karriere in der Finanzbranche hinter sich hat. Kneissler fällt denn auch immer wieder mit pointierten Beiträgen auf der Business-Netzwerk-Plattform Linkedin auf. Dort schreibt der selbstständige Strategieberater knapp und konzis über banknahe wie auch finanzferne Themen. Zum Beispiel über den Zürcher Paradeunternehmer des 19. Jahrhunderts, Alfred Escher («Er war vernetzt. Er kannte die Dossiers. Er schaffte als Macher Realitäten. Er war überall persönlich involviert. Er setzte die Interessen des Landes voran.»). Und Kneissler reiht an die Lobeshymne auf Escher die berechtigte Frage: «Sind Jahrhundert-Entscheide heute noch möglich in der Schweiz?» Daneben versorgt der Ex-Twint-Mann seine Linkedin-Gefolgschaft mit Tipps und Tricks, worauf es sich beim Anlegen zu schauen lohnt. Beispielsweise: «Anlageprodukte mit einer TER, also Vollkosten, über 1 Prozent sind zu teuer.»

Skeptisch gegenüber Bitcoin

Auch zu Bitcoin und Co., dem allgegenwärtigen Hype-Thema unter Anlegern, hat Kneissler eine dezidierte Sicht: Bereits 2015 hatte er sich nach einem Vortrag in Wien vorgenommen, Bitcoins für 5000 Franken zu kaufen. Was damals etwa 20 Bitcoins gegeben hätte. Zu heutigen Kursen ein veritables Vermögen. Doch vergass Kneissler, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Der Lapsus dürfte der «gigantischste Fehlinvestitionsentscheid meines Lebens» gewesen sein. Inzwischen ist Kneissler gegenüber Bitcoin und Co. zurückhaltender. Die Kryptowährungen seien Energiefresser, da der Prozess des Mining Unmengen an Energie verschlingt. Auch seien sie pure Spekulationsobjekte («Es gibt keinen unterliegenden Wert») und zudem mit viel ideologischem Glauben aufgeladen. Schliesslich verstehen die Verfechter der Kryptowährungen sie als selbstbestimmte, freiheitliche Alternative zu den nationalstaatlichen Geldsystemen. Der Payment-Experte ist in Sachen Bitcoin skeptisch: «Das wird nichts.»

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Swiss Life – Teure Mäntel

Swiss Life Der Finanzkonzern schneiderte Versicherungsmäntel für Steuerhinterzieher. Die Millionenbusse in den USA lässt tief blicken.

Wir schreiben das Jahr 2013. Die St. Galler Privatbank Wegelin hat sich in den USA als erste ausländische Bank der Beihilfe zur Steuerhinterziehung für schuldig bekannt. Der Feldzug der Vereinigten Staaten gegen die eidgenössische Fiskal-Oase erreicht seinen ersten Höhepunkt.

Da bekommt ein amerikanischer Swiss-Life-Kunde kalte Füsse. Dies obwohl sein Schwarzgeld auf einem Schweizer Bankkonto von einem Versicherungsmantel schützend umhüllt wird. Geschneidert wurde der Mantel von der Liechtenstein-Tochter der Swiss Life.

Mäntel zu Edelsteinen

Doch selbst diese aktive Verschleierung des wirtschaftlich Berechtigten scheint dem reichen Amerikaner nicht mehr ganz geheuer: «Investitionen in Diamanten sind besser für US-Bürger», soll er gemäss Strafverfolgungsvereinbarung der Swiss Life mit der amerikanischen Justiz gesagt haben.

Gesagt, getan. Der vermögende US-Kunde will seine Versicherungsmantel rückabwickeln. Knapp eine halbe Million Dollar werden schliesslich aus dem Depotbank-Bestand in Edelsteine gewechselt. Um die Schwarzgeld-Diamanten in Empfang zu nehmen, reist der Amerikaner mit seiner Frau sogar extra nach Zürich.

Die skurrile Episode ist nur ein Beispiel, wie die ehemalige Rentenanstalt vermögenden Steuerhinterziehern half, ihr Geld vor dem Fiskus in Sicherheit zu bringen. Alleine für ihre amerikanischen Schwarzgeld-Kunden schneiderte der Finanzkonzern gegen 1600 Versicherungsmäntel, womit rund 1,5 Milliarden Dollar an steuerpflichtigen Vermögenswerten verschleiert wurden.

Insgesamt hatte Swiss Life zu Spitzenzeiten bis zu 22 Milliarden Franken an Vermögenswerten umhüllt. Darunter befanden sich versteuerte wie unversteuerte Gelder. Dazu arbeitete Swiss Life mit mehr als 45 kontoführenden Schweizer Depotbanken sowie zahlreichen weiteren Instituten im Ausland zusammen.

Die Quittung für dieses Versicherungsmantel-Geschäft erhielt der Finanzkonzern kürzlich von den US-Justiz präsentiert: Rund 77 Millionen Dollar Busse musste Swiss Life nun zahlen.

Die Strafverfolgungsvereinbarung sieht zudem eine Probezeit von drei Jahren vor. Der Finanzkonzern äussert sich dazu auf Anfrage wie folgt: «Swiss Life hat den betreffenden Abklärungsergebnissen zugestimmt und wird daher, wie im Falle eines DPA vereinbart, die diesbezüglichen Inhalte und Feststellungen nicht weiter kommentieren».

Unter der Ägide Rolf Dörigs

Die Strafverfolgungsvereinbarung ist der unrühmliche Abschluss eines Geschäfts, das zunächst so vielversprechend wie aussichtsreich begann. Damals stand der Finanzkonzern noch unter der operativen Ägide des heutigen Swiss-Life-Präsidenten und Assekuranz-Doyens Rolf Dörig. Etwa 2004 lancierte der Konzern die Versicherungsmäntel, zunächst über die Liechtensteiner Tochter. Im Fokus: Vermögende beziehungsweise schwer vermögende Privatkunden.

Der Ansatz: Die Police «umhüllte» sozusagen deren Vermögenswerte, die meist über einen Asset Manager bei einer Depotbank bewirtschaftet wurden.

Der Clou: Indem das Anlagekonto auf den Namen eines Swiss-Life-Trägers lautete, blieb der wirtschaftlich Berechtigte fortan im Dunkeln.

Diese maximale Privatsphäre fand rasch Anklang. Bereits Ende 2007 war Swiss Life gemäss damaligen Aussagen zur Nummer zwei im grenzüberschreitenden Geschäft mit sogenannten Private Placement Lebensversicherungen, kurz PPLI, aufgestiegen. Dabei half auch die Übernahme des PPLI-Geschäfts der Liechtensteiner CapitalLeben Versicherung im selben Jahr. Der Deal umfasste etwa 1000 Policen und einen dreistelligen Millionenbetrag an umhüllten Assets.

Krisenjahr, Schlüsseljahr bei Swiss Life

Das Schlüsseljahr, und aus heutiger Sicht wohl das Schicksalsjahr für Swiss Life, war jedoch 2008. Damals gewann der Steuerstreit mit den USA so richtig an Fahrt. Mittels Amtshilfegesuch forderten die Vereinigten Staaten die Schweizer Banken zur Herausgabe von Kundendaten auf. Der Druck zeitigte zusehends Wirkung: Immer mehr hiesige Institute wollten ihre amerikanischen Schwarzgeld-Kunden loswerden. Das Bankgeheimnis wankte.

Der Schutzwall eines Nummern-Kontos in der Schweiz bekam Risse. Da schien ein Versicherungsmantel der Swiss Life die zündende Idee für Banker und ihre verunsicherte Schwarzgeld-Klientel aus Übersee. Der simple Trick: Das nicht-deklarierte Vermögen sollte auf ein Anlagekonto, lautend auf den Namen einer Swiss-Life-Carriers, transferiert werden. Somit verschwände flugs der Name des wirtschaftlich Berechtigten, bevor der US-Fiskus an die Schweizer Bankdaten käme.

Der Kunde müsste den Versicherungsmantel nun nur noch solange halten, bis die Steuerdelikte nach amerikanischem Recht verjährt wären. Das Schweizer Schwarzgeld-Reduit wäre intakt geblieben.

Steuer-Mäntel unter Führung des Schweiz-Chefs Ivo Furrer

So verwundert es nicht, dass Swiss-Life-Vertriebler aktiv ihre Verhüllungsmäntel bei einer Reihe von Schweizer Banken und Vermögensverwaltern mit US-Kundschaft bewarben, wie Justizdokumente darlegen. Und zwar wohl bereits in Kenntnis davon, dass die amerikanische Steuerkavallerie vor der Schweizer Grenze stand.

Doch auch das damalige Management rieb sich die Hände und schmiedete hochtrabende Pläne. Grosses Potenzial sehe das Unternehmen vor allem «im grenzüberschreitenden Geschäft mit strukturierten Versicherungslösungen für vermögende Privatkunden», schreibt Swiss Life im Geschäftsbericht 2008. So erwartete der Finanzkonzern damals, das Prämienvolumen im Mantel-Geschäft von rund drei Milliarden Franken im Jahr 2007 auf 8 bis 10 Milliarden Franken im Jahr 2012 steigern zu können. Eine Verdreifachung innert weniger Jahre.

Der Rückbau beginnt bei Swiss Life

Die Bedeutung der Mäntel unterstrich der Finanzkonzern auch dadurch, dass deren Zuständigkeit in die Schweiz wanderte, also zur wichtigsten Konzerneinheit. Bis 2008 war der damalige Frankreich-Chef Jacques Richier dafür verantwortlich. Danach übernahm der frisch gebackene Schweiz-Chef Ivo Furrer das PPLI-Business. Er präsidierte fortan auch die für die Mäntel bedeutsame Liechtenstein-Tochter. Die Dependance im Ländle eröffnete – ebenfalls im Jahr 2008 – weitere Ableger in opaken Steueroasen, namentlich in Dubai und Singapur. Auch über diese Aussenstellen liefen gemäss US-Justiz Policen steuersäumiger Amerikanern.

Zwar gab es schon ab Dezember 2008 einen «Code of Conduct», der es Mitarbeitern untersagte, die PPLI-Produkte «über den vorgesehenen Rahmen hinaus» zu nutzen oder aktive Beratung oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu betreiben. Doch mindestens noch bis im Sommer 2009 sollen sich SL-Vertriebler mit Finanzintermediären getroffen haben, die «non-compliant» US-Kunden vertraten.

Der eigentliche Rückbau des Mantelgeschäfts mit US-Kundschaft begann erst gegen Ende 2012. Weitere fünf Jahre später, im September 2017, klopfte dann das amerikanische Department of Justice bei Swiss Life an. Damit begann die strafrechtliche Aufarbeitung der Versicherungsmäntel.

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Handelszeitung Meinung

Nur Swissquote kann Yuh-beln

Yuh Die neue Smartphone-Bank Yuh von Postfinance und Swissquote überzeugt. Doch nur der Online-Broker darf sich freuen.

Die Postfinance und Swissquote lancieren gemeinsam eine Smartphone-Bank namens Yuh. Prima vista überzeugt die Banking-App zum «Zahlen, Sparen und Investieren». Die vornehmlich jüngere Zielgruppe kriegt eine Gratis-Debitkarte ohne Kontoführungsgebühren sowie eine ordentliche Portion «Gamification» geliefert.

Das spielerische App-Bonus-Programm basiert beispielsweise auf einer eigenen Kryptowährung namens Swissqoin, die auch unter Usern  getradet werden kann. Überhaupt steht der spielerische Handel im Zentrum dieser Hosentaschen-Bank: Ob in Kryptowährungen spekulieren oder auf heisse Einzelaktien wetten, Yuh atmet durch und durch den Daytrader-Geist der Swissquote. 

Für Swissquote ist Yuh eine Riesenchance

Womit wir beim Problem wären: der Postfinance. Der gelbe Finanzriese ist bei der App-Bank nicht bloss nur technologischer Juniorpartner. Schlimmer noch: Postfinance tritt mit der neuen App praktisch das Geschäft mit den Kundschaft von Morgen an Swissquote ab.

Für die Waadtländer Onlinebroker ist dies eine Riesenchance, Junge ans Onlinetrading heranzuführen. Für die Berner Staatsbank dagegen ist Yuh das fatale Eingeständnis, aus eigener Kraft keine zukunftsträchtige Smartphone-Bank entwickeln zu können.

Neuer Postfinance-Präsident muss Antworten liefern

Es stellt sich ernsthaft Frage, mit wem und mit was die Postfinance in Zukunft überhaupt noch Geld verdienen möchte. Der ehemalige Swisscard-Chef und frisch gewählte Postfinance-Präsident Marcel Bührer muss nun antworten liefern. Und zwar rasch. 

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BZ Bank – Umstrittene Trades

BZ Bank Ein ehemaliger Topmanager soll Insiderhandel betrieben haben. Der Fall beschäftigt die Gerichte.

Myriad hatte grosse Pläne. Im Sommer 2014 wollte die Zürcher Softwarefirma einen Chat-Messenger als Handy-App lancieren. Vom potenziellen Gamechanger wusste man nicht nur in der Firma selber, sondern auch anderswo. Bei der BZ Bank.

Ihr damaliges Geschäftsleitungsmitglied T. M. (Name der Redaktion bekannt) soll davon Wind bekommen haben, schreibt die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklageschrift: T. M. stand in regelmässigem Kontakt mit Richard Francis und Stephen Dunford. Diese hielten den Banker «auf seine Anfrage hin über den zeitlichen Rahmen des ‹launches› (…) auf dem Laufenden». Francis und Dunford waren bestens im Bild über die Vorgänge. Denn die beiden Manager amteten seinerzeit als Finanzchef beziehungsweise Firmenchef von Myriad. Und die Zürcher Softwareentwicklerin, ein weiteres pikantes Detail, gehörte damals zu einem Viertel dem Mehrheitseigner der BZ Bank, dem Schwyzer Milliardär Martin Ebner.

BZ Bank – Über das Depot seiner Ehefrau

Am Tag vor der offiziellen Lancierung der Handy-App informierte Myriad-Chef Dunford den hochrangigen BZ-Bank-Manager per E-Mail über die formelle Ankündigung. Eine kursrelevante Information. Knapp eine Stunde nach Dunfords E-Mail führte T. M. einen Wertschriftenauftrag aus. Über das Depot seiner Ehefrau bei der Saxo Bank kaufte er Myriad-Aktien im Wert von knapp 110 000 Franken. Am Tag der App-Lancierung schossen die Myriad-Aktien in die Höhe und gingen schliesslich mit einem Plus von 17,5 Prozent aus dem Handel.

Ein lukratives Geschäft bahnte sich an. T. M. veräusserte nämlich die Papiere der Softwarefirma ein paar Wochen später mit einem Gewinn von 75 000 Franken wieder. Die Bundesanwaltschaft legt T. M. nun in der Anklageschrift das «Ausnützen von Insiderinformationen» zur Last. Er habe mit der Myriad-Transaktion einen «unrechtmässigen Vermögensvorteil» erzielt.

Finma erstattet Strafanzeige gegen BZ Bank

Anfang Mai wird der Fall vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verhandelt. Dann, an der Hauptverhandlung, wird auch klar, welches Strafmass die Bundesanwaltschaft fordert. Das Bundesgesetz über Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel sieht dabei eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Der anstehende Strafprozess gegen T. M. ist in einem grösseren Kontext zu sehen. Die Bundesanwaltschaft erliess im letzten Herbst einen Strafbefehl; diesen akzeptierte der Ex-BZ-Banker aber nicht, worauf die Bundesanwaltschaft Anklage erhob. Der Strafuntersuchung vorausgegangen war eine Anzeige der Finanzmarktaufsicht (Finma) im Sommer 2017. Die Erkenntnisse darin basierten auf Untersuchungen, welche die Finma bereits zuvor gegen die BZ Bank geführt hatte. Es ging dabei unter anderem um das Ausnützen von Insiderinformationen, Marktmanipulation, Verletzung von Treuepflichten, angemessene Organisation und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit.

Nicht vor Bundesgericht angefochten

Dabei bestätigte das Bundesverwaltungsgericht im letzten Jahr den Entscheid der Finma als Erstinstanz, wonach die Bank im Mehrheitsbesitz von Martin Ebner «schwer gegen Aufsichtsrecht» verstossen habe. Die BZ Bank verzichtete darauf, das 46-seitige BVG-Urteil vor Bundesgericht anzufechten.

Ins Rollen kam der Fall bereits vor fünf Jahren, Anfang Mai 2016. Die Finma eröffnete damals ihr Enforcement-Verfahren gegen die BZ Bank. Kurz darauf entband der BZ-Verwaltungsrat T. M. von seiner Funktion als Bankchef. Er war für die Bereiche Handel, Kundenberatung, Portfoliomanagement und Research zuständig. Gesundheitliche Gründe hätten zu diesem Entscheid geführt, liess die Bank später mitteilen. Ebner selbst amtete daraufhin als Chef der BZ Bank. Anfang 2017 trat auch der Tippgeber von T. M., Myriad-Chef Stephen Dunford, zurück. «Krankheitsfall in der Familie», so lautete dort die offizielle Begründung.

Entgegen bankinterner Weisungen

Die private Myriad-Transaktion von T. M. war offenbar kein Einzelfall. So führte die Finma-Untersuchung unter anderem zutage, dass der frühere Topbanker während mehrerer Jahre über 800 Wertschriftentransaktionen bei Drittbanken durchgeführt haben soll. Entgegen bankinternen Weisungen meldete er seinem damaligen Arbeitgeber diese privaten Trades jedoch nicht. Dabei handelte es sich auch um Titel, für die er als Analyst tätig gewesen war. Wobei T. M. auch Unternehmen analysiert haben soll, bei denen BZ-Bank-Mehrheitseigner Martin Ebner indirekt ein gewichtiger Aktionär gewesen war.

Im Januar 2020 schliesslich machte die Aufsicht ihren Enforcement-Entscheid gegen T. M. publik, und zwar unter dem Titel «Finma ahndet schweren Fall von Insiderhandel». So habe der ehemalige Bankmanager und Gewährsträger «schwer gegen Aufsichtsrecht» verstossen. Er habe Insiderinformationen ausgenutzt, die er aufgrund seiner Tätigkeiten bei der Bank erhalten habe. Auch soll er privilegierte Informationen weitergegeben haben. Neben dem Insiderhandel missachtete der Ex-BZ-Bank-Manager, so die Finma, mit weiteren privaten Handelsgeschäften jahrelang systematisch bankinterne Weisungen. Die Aufsichtsbehörde entschied, unrechtmässig erzielte Gewinne in der Höhe von 730 000 Franken einzuziehen. Zudem verfügte die Finanzmarktaufsicht gegen T. M. ein Berufsverbot von vier Jahren und ein Tätigkeitsverbot als Händler von sechs Jahren.

Noch nicht rechtskräftig

Doch wie der Strafbefehl der Bundesanwaltschaft ist auch der Entscheid der Finma gegen T. M. nicht rechtskräftig: Er sei hängig vor dem Bundesverwaltungsgericht, sagt Finma-Sprecher Tobias Lux auf Anfrage. Derweil ist Ex-Banker T. M. weiterhin im Umfeld von BZ-Bank-Mehrheitseigner Martin Ebner tätig. So sitzt er unter anderem als Verwaltungsrat in Firmen, in denen der Schwyzer Financier investiert ist.

Bei der BZ Bank blieb in den letzten Jahren jedenfalls kein Stein auf dem anderen: Ende 2018 traten Martin Ebner als Bankchef sowie sein Rechtschef Ralph Stadler zurück. Ebners Nachfolger, der Deloitte-Wirtschaftsprüfer Rolf Schönauer, blieb nur rund zwei Jahre im Amt. Seit Dezember 2020 leitet Stefan Holzer das Schwyzer Finanzinstitut. Er sass zuvor im Verwaltungsrat der BZ Bank.

Nachtrag

Das Bundesstrafgericht in Bellinzona hat ein ehemaliges Kadermitglied der BZ Bank inzwischen vom Vorwurf des «Ausnützens vertraulicher Tatsachen» freigesprochen. Die Bundesanwaltschaft wird das Insider-Urteil anfechten, wie sie gegenüber der «Handelszeitung» bestätigt. «Die Bundesanwaltschaft hat beim Bundesstrafgericht Berufung angemeldet gegen das ergangene Urteil», sagt BA-Sprecher Anthony Brovarone. 

Konkret ging es um umstrittene Handelsaktivitäten in Zusammenhang mit der Aktie der Zürcher Softwarefirma Myriad Group; die «Handelszeitung» berichtete. Die Bundesanwaltschaft hatte im letzten Herbst Anklage gegen den Ex-Bankchef erhoben, nachdem dieser einen Strafbefehl der BA nicht akzeptiert hatte.

Dem strafrechtlichen Verfahren war eine Untersuchung der Finanzmarktaufsicht vorausgegangen. Die Finma spricht dabei öffentlich von einem «schweren Fall von Insiderhandel» und belegt den Ex-BZ-Banker Anfang 2020 mit einem mehrjährigen Berufs- und Tätigkeitsverbot sowie einem Gewinneinzug von 730’000 Franken. Der Entscheid der Finma ist vor Bundesverwaltungsgericht noch anhängig.

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Super League – Fussball ist eben nicht Soccer

Super League Sie ist die grösste Bank der Vereinigten Staaten, JP Morgan. Und ihr Führungspersonal um die Wall-Street-Legende James «Jamie» Dimon offenbarte unlängst, wie wenig sie Europa verstehen. In einem Anflug von amerikanischem Kulturimperialismus hat der New Yorker Finanzkoloss mit seinen Plänen für eine abgehobene «Super League» den grössten Shitstorm in der jüngeren Geschichte des europäischen Vereinsfussballs entfacht.

Dieser Empörungssturm entlud sich zwar zu Recht an den «Super League»-Clubs selbst, von Manchester City über Juventus Turin bis zum FC Barcelona. Doch für die haarsträubende Idee eines stehenden Elite-Wettbewerbs, jenseits aller Ligastrukturen, sollten die hoch bezahlten Investment-Banker von JP Morgen eigentlich geteert und gefedert werden.

Europas Fussball ist mehr als ein Zeitvertreib für reiche Clubeigner wie die Super League

Denn Europas Fussball ist eben nicht Soccer. Und auch nicht Baseball, American Football oder Basketball. Die FC auf dem alten Kontinent führen gerade keinen Profiliga-Klimbim auf, bei dem die Fans in heruntergekühlten Sponsor-Arenen blosse Claqueure für die Pay-TV-Kundschaft an den Bildschirmen zu Hause sind. Europas Fussball ist auch kein x-beliebiger Entertainment-Zirkus, dessen Spielregeln sich nach den Bedürfnissen der Werbebetreibenden zu verbiegen haben. Und es ist auch kein blosser Zeitvertreib für schwerreiche Clubbesitzer, die mit ihren NBA- oder NFL-Franchisen jonglieren, als seien sie Daytrader an der Börse.

Vereine sind, von ihrer Definition, nichtkommerzielle Organisationen

Das Gegenteil ist der Fall. Europas Fussball hat gewachsene Strukturen, von denen die JP-Morgan-Banker wahrscheinlich noch nie etwas gehört haben. Europas Fussball ist tief verwurzelt in den gemeinnützigen Ballsport-Vereinen, die im ausgehenden 19. Jahrhundert auf dem Kontinent in mannigfaltiger Form entstanden sind. Vereine sind, von ihrer Definition her, nichtkommerzielle Organisationen.

Es sind Zusammenschlüsse Gleichgesinnter, die gemeinschaftlich demselben Zweck frönen. Eingebettet sind sie zumeist in Verbandsligen, die ganz Europa vom Amateur-Gebolze bis zum filigranen Profitum durchdringen. «For the love of the game», wie es so schön heisst. Insofern haben die «football clubs» europäischer Ausprägung eben auch soziale und gesellschaftliche Verpflichtungen wie die Nachwuchsförderung oder die Pflege der Fankultur, jenseits aller monetären Inzentivierung.

Die Super League – ein Kommerzprodukt, für Asiens Fanmassen konfektioniert

Und damit sind sie so ziemlich genau das Gegenteil dessen, was JP Morgan mit ihren «Super League»-Plänen bezweckte. Nämlich einen europäischen Klon einer US-Profiliga zu schaffen. Ein Kommerzprodukt, prima verwertbar für die Massen asiatischer und amerikanischer Soccerfans, welche Ronaldo oder Messi nur von der Mattscheibe her kennen. Ein solches Produkt mag – auf dem Papier – den JP-Morgan-Bankern einen attraktiven Return auf ihrer 4-Milliarden-Euro-Upfront-Zahlung bescheren. Wie der Aufruhr gezeigt hat, hält die Super-League-Idee dem Realitätstest jedoch nicht stand.