Kryptowährungen wie Bitcoin Die Meldungen von Geldwäscherei nehmen zu. Die Anonymität erleichtert den Missbrauch.
Der Sturm aufs Capitol erschüttert die Welt. Wenige Wochen vor den Unruhen schickte ein Unterstützer aus Frankreich Bitcoins im Wert von mehr als einer halben Million Dollar auf fast zwei Dutzend virtuelle Portemonnaies. Sie gehören rechtsextremen Aktivisten, die an den Ausschreitungen in Washington beteiligt waren, wie das Compliance-Analyse-Startup Chainalysis herausgefunden hat.
Extreme politische Gruppierungen
Geldwäschereiexperte Daniel Thelesklaf zeigt sich wenig überrascht. Er leitete bis vor kurzem die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) und beobachtet den illegalen Gebrauch von Kryptowährungen mit Sorge, insbesondere in zwei Bereichen. Zum einen in der Steuerhinterziehung: «Der automatische Informationsaustausch umfasst derzeit noch keine Kryptowährungen.» Und zum andern im Bereich der Finanzierung extremer politischer Gruppierungen wie Dschihadisten oder Alt-Right-Aktivisten.
Die Entwicklung macht auch vor der Schweiz nicht halt. Die Bundespolizei, zu der die MROS gehört, teilt mit: «Verdachtsmeldungen an die MROS in Zusammenhang mit Kryptowährungen haben in den letzten Jahren zugenommen.» Die Meldestelle führt zwar keine gesonderte Statistik. Doch sind die Meldungen aus dem Bereich «übrige Finanzintermediäre» und «Zahlungsverkehrsdienstleister» stark angestiegen. Nicht zuletzt, weil Bitcoin-Börsen und Kryptowechselstuben inzwischen unters Geldwäschereigesetz fallen. Bereits hat die MROS den Staatsanwaltschaften auch Fälle zur Strafverfolgung zugeführt.
Erhebliche Verwundbarkeit durch Bitcoin
Eine Koordinationsgruppe des Bundes befasste sich vor zwei Jahren erstmals in einer Risikoanalyse mit «Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung durch Krypto-Assets». Sie kam zum Schluss, dass «die Gefährdungen durch diese Technologien und die Verwundbarkeiten der Schweiz in diesem Bereich erheblich sind». Mittlerweile haben Bitcoin und Co. sich weiter verbreitet. Die Bedeutung von Kryptowährungen in unserem Wirtschaftssystem nehme zu, hält auch die Bundespolizei fest und warnt: «Kryptowährungen erlauben eine gewisse Anonymität bei den durchgeführten Transaktionen, was das Missbrauchspotenzial für Geldwäschereizwecke erhöht.»
Nicolas Kilchenmann ist stellvertretender Leiter Compliance Services bei Swisscom. Der Bundesbetrieb berät Banken in Compliance-Fragen bei digitalen Assets. Kilchenmann und sein Team machen für Finanzdienstleister vertiefte Due-Diligence-Prüfungen. Zum Beispiel, wenn ein Kunde sein in Bitcoin erzieltes Vermögen zur Bank bringen möchte. Für Kilchenmann ist das Geldwäschereirisiko von Kryptowährungen nicht per se höher als jenes von Fiatwährungen. «Es gibt einfach spezifische Risiken, die auf die technische Konzeption der Blockchain zurückzuführen sind», sagt er. Dazu gehörten die Anonymität der Teilnehmenden, die dezentrale Struktur der Blockchain, die fehlende nationalstaatliche Verankerung sowie die softwarebasierte Aufbewahrung der Anlagen. Aus der Blockchain-Konzeption würden sich aber auch risikoreduzierende Faktoren ergeben. «Die Blockchain ist unveränderbar und transparent und für jedermann und jede Frau öffentlich einsehbar.» Das heisst: Wann welche Transaktion ablief, ist auf der Blockchain für alle Zeiten eingeschrieben.
Geldwäsche kennt drei Phasen
Doch so einfach ist die Sache nicht. Die Geldwäsche kennt drei Phasen: jene des Einschleusens («placement»), der Verschleierung («layering») und der Anlage («integration»). «Finanzaufsichtsbehörden kontrollieren hauptsächlich das Placement und nicht so sehr die Layering- und Integrationsprozesse», erklärt der forensische Ermittler Andrea Galli von Swiss East Affairs. Daher würden «Kryptotechniken» häufig unter dem Radar der Regulatoren fliegen. Die Komplexität mache die Überprüfung der Rechtmässigkeit solcher Transaktionen «ziemlich schwierig».
Galli geht davon aus, dass Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether vor allem für die Layering-Phase genutzt werden. Also dann, wenn die schmutzige Herkunft der Vermögenswerte verschleiert werden soll. Der Vorteil: Kryptogeld lässt sich auf Knopfdruck global verteilen.
Keine transparente Nachvollziehbarkeit von Bitcoin
Geldwäschereiexperte Thelesklaf teilt Gallis Einschätzung: Für die Anlagephase seien die Wertschwankungen von Bitcoin und Co. momentan zu gross. Geldwäscher bevorzugten stabilere Anlageklassen wie Immobilien oder Fiatleitwährungen. Die Risiken lägen in der Verschleierungsphase. «Zwar verspricht die Blockchain-Technologie grundsätzlich eine transparente Nachvollziehbarkeit aller Transaktionen für eine Bitcoin-Adresse. Doch existieren Mittel und Wege, diese lückenlose Buchführung zu hintertreiben», sagt Thelesklaf. Zum Beispiel gebe es Tumbler- oder Mixing-Services, mit denen gegen Gebühr möglicherweise inkriminierte Kryptogelder vermischt werden mit anderen Quellen.
Ebenfalls ein Problem seien Non-hosted Wallets. Dabei handelt es sich um digitale Portemonnaies für Bitcoins und Co., welche nicht von regulierten Finanzintermediären verifiziert und verwaltet werden. Es sei schwierig, so Thelesklaf, die Inhaber von Non-hosted Wallets zu eruieren. Kein Wunder, beklagt die Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) die fortgesetzte Verwendung von «Tools und Methoden zur Erhöhung der Anonymität von Transaktionen».
Lücken beim Einschleusen
Noch ist Kryptogeldwäsche eine Nische. Ermittler Galli schätzt, dass etwa 10 Prozent aller inkriminierten Gelder über Kryptokanäle gewaschen werden. Doch der Bereich wächst. Die US-Behörde für Finanzkriminalität, Fincen, erhielt im Jahr 2019 Verdachtsmeldungen im Umfang von 119 Milliarden Dollar. Dies entspricht gemäss Fincen rund 12 Prozent aller Kryptoaktivitäten in den USA überhaupt. Die FATF schreibt im neusten Lagebericht, dass «professionelle Geldwäschenetzwerke» begonnen hätten, «virtuelle Vermögenswerte zum Waschen illegaler Erlöse zu nutzen».
Dabei machen sich Kriminelle auch Lücken in der Placement-Phase zunutze. Entscheidend seien die Gateways, wo man Fiatgeld in Kryptowährungen wechsle und zurück, sagt Dominik Witz, Leiter Compliance Services bei der Swisscom: «Die Wechselstuben beziehungsweise Kryptobörsen sind verpflichtet, ihre Sorgfaltspflichten wahrzunehmen.» In der Schweiz sind Bitcoin-Händler der Finanzmarktaufsicht unterstellt. Ab Beträgen von 1000 Franken sind sie verpflichtet, Kundinnen und Kunden zu identifizieren. Was hierzulande gilt, ist längst nicht Standard: Die FATF kritisiert, dass Kryptodienstleister in Ländern beheimatet seien, denen es an «einer effektiven Geldwäschereibekämpfung» mangle.
Insofern erstaunt es nicht, dass im letztjährigen «Crypto Adoption Index» von Chainalysis, der die Durchdringung mit Blockchain-Währungen misst, Länder wie die Ukraine, Venezuela oder China in den Top Ten sind. Die Schweiz belegt Platz 61.