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Thierry Kneissler – Der Aussteiger

Thierry Kneissler Der Gründer von Twint arbeitet mittlerweile als Strategieberater. Er erklärt, warum die Banken im Digitalgeschäft zögerlich sind.

Die Welt verändert sich gerade radikal, lautet der erste Satz von Thierry Kneisslers Covid-19-Paper «mit Blick auf die Schweiz». Er verfasste die 32-seitige Strategie-Schrift samt konkreten Handlungsempfehlungen im April letzten Jahres, mitten im ersten Lockdown der Pandemie. Der Königsweg bedeute Impfung, doch das gehe noch «zwölf bis 18 Monate», schrieb er damals und sollte mit seiner Prognose Recht behalten. Inzwischen zeigt die Impfkampagne auch in der Schweiz Wirkung.

Doch längst hat Corona unsere Alltagsgewohnheiten nachhaltig verändert. Auch in Kneisslers eigentlicher Paradedisziplin, dem Zahlungsverkehr. So erlebt das elektronische Zahlen seit Corona einen regelrechten Boom. «Wir haben in einem Jahr eine Entwicklung durchgemacht, die sonst fünf Jahre gedauert hätte», sagt der Mitgründer und frühere Chef des Zahlungssystems Twint. Thierry Kneissler ist überzeugt: Viele Leute haben sich mit dem elektronischen Bezahlen angefreundet und werden die neuen Verhaltensmuster beibehalten.

Thierry Kneissler ist kritisch mit der eigenen Zunft

Der studierte Volkswirtschafter muss es wissen. Hat er doch 2018 eine klassische Bankerkarriere, zuletzt als Twint-Chef, an den Nagel gehängt und arbeitet seither als selbstständiger Strategieberater und Multi-Verwaltungsrat. Dabei zeigt sich der Ex-Finanzmann durchaus kritisch mit seiner angestammten Zunft und deren Digitalisierungsmühen. Obwohl die Finanzbranche nicht müde wird zu betonen, wie wichtig den Bankkunden der persönliche Kontakt sei, ist für ihn klar: «80 Prozent dessen, was eine Bank anbietet, kann ich gut online machen.» Doch Kneissler ist mitnichten ein Digital-Fundamentalist. «Die Maschine kann nicht alles.» So gebe es durchaus komplexe Finanzbedürfnisse, bei denen er gerne mit einem Menschen rede. Zum Beispiel in der Altersvorsorge. Ein Thema, das im jährlichen Sorgenbarometer der Credit Suisse stets die Topplätze belegt. Da könnte man gerade aus der Kombination von «gescheiten Algorithmen und guten Beratern» viel Innovatives schaffen, ist er überzeugt. Allerdings mangle es an konkreten Angeboten. Denn als Institut ein modernes Vorsorgeangebot zu entwickeln, brauche einen langen Schnauf. «Viele Banken sagen einfach, das kann unser Kundenberater.» Ein Trugschluss, findet er: Die Mehrheit der Berater an der Front wüssten doch auch nicht, wie eine Lebensversicherung tatsächlich funktioniere.

Das meiste ist «Me Too», findet Thierry Kneissler

Überhaupt mangelt es gemäss Kneissler den Banken hierzulande an Pioniergeist. «Ich hätte jetzt auch Mühe, die drei grössten Innovationen der letzten Jahre zu nennen.» Das meiste sei «Me Too», denn radikale Ansätze hätten in bestehenden Strukturen meist keine Chancen. Die Banken würden vor allem den Preisdruck im Digitalbusiness sehen und wollten sich damit nicht selber kannibalisieren.

Angesichts weiterhin stattlicher Margen im klassischen Bankgeschäft sei die Angst vor einem Ertragsverlust grösser als die Lust, Neues auszuprobieren. «Innovation entsteht selten dort, wo schon ein erfolgreiches Geschäft vorhanden war.» Dieser Umstand mag sich für das Institut irgendwann rächen. Aber die Eigenlogik für die Banker sei bis dato eben anders getrieben: «Wird einem Manager dafür gedankt, wenn er heute an die Lage in zehn Jahren denkt, oder misst man ihn an den heutigen Umsätzen?»

Nicht nur die Anreize fürs Management scheinen die Innovationslust der Finanzbranche zu bremsen. Es sind auch technologische Altlasten. Neue Lösungen in ein bestehendes Banksystem einzubauen, sei teuer und schwierig, weiss Kneissler aus eigener Erfahrung. Was im Moment den angestammten Akteuren zudem helfe, sei, dass die Kunden trotz Corona ihr Verhalten nur langsam ändern würden. Mit anderen Worten: Solange Herr und Frau Schweizer träge bleiben, geht es auch den Banken gut.

Die gegenwärtigen Aktivitäten reichen nicht

Doch die nächsten Umwälzungen stehen bereits an. Das neue Zauberwort lautet «Embedded Finance». Damit würde sich der Umgang der Kunden mit Finanzdiensten radikal ändern, prophezeit Kneissler. Im Prinzip geht es um branchenübergreifende Lösungen. Also die Verbindung einer Nicht-Bank wie eines Detailhändlers mit einer Finanzleistung, also beispielsweise einem Kredit, einer Versicherung oder einer Zahlung. Ein konkretes Beispiel hier ist jene Hausratversicherung namens Hemsäcker, welche das Möbelhaus Ikea anbietet, oder jene Bezahldienste, die der Mobilitätsanbieter Uber für Kunden und Fahrer offeriert. Schätzungen gehen davon aus, dass sich das «Embedded Finance»-Volumen in zehn Jahren weltweit auf 7200 Milliarden Dollar belaufen wird.

Kneissler mahnt: Die gegenwärtigen Aktivitäten der Schweizer Banken würden nicht ausreichen, um die Kunden von morgen halten zu können. Nicht zuletzt, weil die Banken nicht die Kultur haben, um ein «Love Brand», also eine geliebte Marke, zu werden, findet Kneissler.

Klare Worte von einem, der zwanzig Jahre Karriere in der Finanzbranche hinter sich hat. Kneissler fällt denn auch immer wieder mit pointierten Beiträgen auf der Business-Netzwerk-Plattform Linkedin auf. Dort schreibt der selbstständige Strategieberater knapp und konzis über banknahe wie auch finanzferne Themen. Zum Beispiel über den Zürcher Paradeunternehmer des 19. Jahrhunderts, Alfred Escher («Er war vernetzt. Er kannte die Dossiers. Er schaffte als Macher Realitäten. Er war überall persönlich involviert. Er setzte die Interessen des Landes voran.»). Und Kneissler reiht an die Lobeshymne auf Escher die berechtigte Frage: «Sind Jahrhundert-Entscheide heute noch möglich in der Schweiz?» Daneben versorgt der Ex-Twint-Mann seine Linkedin-Gefolgschaft mit Tipps und Tricks, worauf es sich beim Anlegen zu schauen lohnt. Beispielsweise: «Anlageprodukte mit einer TER, also Vollkosten, über 1 Prozent sind zu teuer.»

Skeptisch gegenüber Bitcoin

Auch zu Bitcoin und Co., dem allgegenwärtigen Hype-Thema unter Anlegern, hat Kneissler eine dezidierte Sicht: Bereits 2015 hatte er sich nach einem Vortrag in Wien vorgenommen, Bitcoins für 5000 Franken zu kaufen. Was damals etwa 20 Bitcoins gegeben hätte. Zu heutigen Kursen ein veritables Vermögen. Doch vergass Kneissler, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Der Lapsus dürfte der «gigantischste Fehlinvestitionsentscheid meines Lebens» gewesen sein. Inzwischen ist Kneissler gegenüber Bitcoin und Co. zurückhaltender. Die Kryptowährungen seien Energiefresser, da der Prozess des Mining Unmengen an Energie verschlingt. Auch seien sie pure Spekulationsobjekte («Es gibt keinen unterliegenden Wert») und zudem mit viel ideologischem Glauben aufgeladen. Schliesslich verstehen die Verfechter der Kryptowährungen sie als selbstbestimmte, freiheitliche Alternative zu den nationalstaatlichen Geldsystemen. Der Payment-Experte ist in Sachen Bitcoin skeptisch: «Das wird nichts.»

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Lombard Odier – Topbankerin tritt ab

Sesselwechsel Die Genfer Privatbank Lombard Odier verliert mit Carolina Minio-Paluello eine wichtige Führungskraft im Asset Management.

Die Genfer Privatbank Lombard Odier (LO) erlebt turbulente Zeiten. Erst vor wenigen Wochen haben die sieben Teilhaber den Nachfolger von Senior Managing Partner Patrick Odier bestimmt, der im nächsten Jahr das Pensionsalter erreicht. Doch statt Odiers Nachfolger Hubert Keller sofort zum Primus inter Pares zu machen, wird Odier erst Ende 2022 das Zepter übergeben. Zu umstritten ist Keller bankintern, als dass die Partner dem Ex-Investment-Banker unverzüglich die Geschicke der ältesten Genfer Privatbank in die Hände legen möchten.

Aus London heraus geleitet

Kellers Ernennung wirft im Topmanagement indes bereits Schatten voraus. Wie Recherchen zeigen, hat LO-Spitzenfrau Carolina Minio-Paluello per Ende Juli die Vermögensbank verlassen. Sie war sechs Jahre für die Genfer tätig. Der Abgang der ehemaligen Goldman-Sachs-Frau stellt für Lombard Odier Investment Managers (LOIM) – das institutionelle Anlagegeschäft der Bank – einen Paukenschlag dar. Galt Minio-Paluello doch als «Schatten-CEO» bei LOIM, das der designierte Senior Managing Partner Hubert Keller seit einigen Jahren aus London heraus leitet.

Steine aus dem Weg räumen

Offiziell trug die Italo-Bankerin, die in Brüssel und London studierte, den Titel Global Head of Sales and Solutions und war zuständig für den Verkauf und Vertrieb der Finanzprodukte. Allerdings war Minio-Paluello, die ein Multimillionen-Salär erhielt, mehr als das: Sie galt lange Zeit als enge Vertraute und rechte Hand von Hubert Keller, die sich um praktisch alle operationellen Belange des Asset-Management-Arms zu kümmern hatte. «Carolina räumte Keller die Steine aus dem Weg und entwickelte das Geschäft weiter», sagt ein Weggefährte.

Minio-Paluello engagierte sich beispielsweise stark im Bereich nachhaltige Anlagen, der als strategischer Eckpfeiler der Genfer Bank gilt. Im Netz finden sich zahlreiche Interviews und Auftritte, bei denen Minio-Paluello die «sustainability revolution» proklamiert und Lombard Odier als grünen Leader positioniert: Nachhaltiges Investieren sei eine Realität, die niemand mehr ignorieren könne, liess Minio-Paluello die «Finanz und Wirtschaft» kürzlich wissen.

Die Spitzenbankerin, die zuvor über zehn Jahre für Goldman Sachs gearbeitet hatte, war es auch, die für LOIM die passiven ETF-Produkte massgeblich mitaufbaute und das Asien-Geschäft weiterentwickelte. Zusammen mit dem damaligen Head of Asia, Vincent Duhamel.

Job wird bei Lombard Odier nicht ersetzt

Die Bank bestätigt den Rücktritt von Carolina Minio-Paluello: «Wir danken Carolina für ihren Beitrag für die Gruppe und wünschen ihr viel Erfolg für die Zukunft», schreibt Lombard Odier.

Offenbar nimmt Minio-Paluello eine neue Herausforderung bei einem anderen Finanzdienstleister an. Sie soll dort die Quant-Strategien leiten. Der Rücktritt stehe nicht in Zusammenhang mit Kellers Ernennung als Senior Managing Partner, heisst es aus dem Umfeld der Bank.

Die Funktion als Global Head of Sales and Solutions wird es bei Lombard Odier Investment Managers so nicht mehr geben. «Frau Minio-Paluello wird nicht ersetzt. Der Vertrieb wird weiterhin von Jonathan Clenshaw als Leiter Institutional Sales und Martin Thommen als Leiter Third Party Distribution geführt», schreibt die Bank.

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Die Brüsseler Revolution

Banken Das Muster ist immer dasselbe. Digitale Plattformen legen sich auf die Schnittstelle zum Kunden und drängen angestammte Akteure ins zweite Glied. Mehr noch, sie definieren deren Aufgaben neu. Einstige Branchenführer werden zu Handlangern, denen – wenn überhaupt – die Brosamen des Geschäfts bleiben.

Wer die Schnittstelle zum Kunden preisgibt, hat schon verloren
So geschehen im Taxibusiness, wo Uber aus den Taxizentralen und Chauffeuren Zudiener gemacht hat. So geschehen in der Medienbranche, wo Facebook und Co. mit ihrem Milliardenpublikum längst das publizistische Zepter schwingen. Journalismus wird in der Social-Media-Sphäre bis zur Unkenntlichkeit konfektioniert. In dieser Filterblase sind Medienmarken austauschbare Inhaltsproduzenten geworden. So geschehen in der Musikindustrie, wo Streaming-Dienste wie Spotify die Künstler zu Stimmungslieferanten machten. Eine Playlist für den Sonntag, eine für den Fitness-Workout. Wer den Soundtrack fürs Leben schreibt, ist irrelevant geworden.

Die Beispiele zeigen, wie die Digitalwirtschaft tickt und wie sie traditionelle Branchen umpflügt. Die Banker sollten auf der Hut sein. Wer die Schnittstelle zum Kunden preisgibt, hat schon verloren. Doch genau dieser Vorgang könnte die Finanzindustrie in Kürze ereilen. So sind die Bürokraten in Brüssel daran, die Bankkonti zu knacken. Die Abkürzung zum Datentresor lautet PSD2. Mit dieser EU-Direktive müssen die Finanzhäuser Kontoinformationen mit Drittanbietern teilen, wenn dies die Bankkunden wünschen.

Was harmlos tönt, dürfte massive Konsequenzen haben. Denn mit PSD2 können Branchenfremde das Banking neu definieren, während den Finanzinstituten die Rolle als „dumb pipe“ bleibt, als austauschbare Zahlungsabwickler. Ein Schreckensszenario, das die Bankmanager bislang vor allem in Schockstarre versetzt hat. Doch Leugnen und Kleinreden hat weder Mobilitäts- noch Musik- oder Medienbosse vor der digitalen Disruption bewahrt. Vielmehr sollten die hochbezahlten Finanzkapitäne ihre Ärmel hochkrempeln und PSD2-taugliche Geschäftsmodelle entwickeln, bevor es andere für sie tun. Denn dann ist es definitiv zu spät. Kodak, Nokia oder Brockhaus können ein Lied davon singen.

Daten und Vertrauen sind die beiden Schlüsselelemente

Dabei kommt der simplen Transaktion eine Schlüsselfunktion zu. Banken sitzen in ihrer ureigensten Payment-Funktion auf einem enormen Datenschatz: Die Geldflüsse ihrer Kunden sind in unserer datenanalytischen Epoche das neue Gold. Den Banken muss es gelingen, aus diesem riesigen „money trail“ einen tatsächlichen Mehrwert für ihre Kunden zu generieren.

Womit wir beim zweiten Element wären: Vertrauen. Nur wenn ich als Kunde sicher bin, dass mein Geld sicher ist und meine finanzielle Privatsphäre geschützt bleibt, lasse ich mir solche digitalen Geschäftsmodelle gefallen. Und da sind die Banken in einer starken Position. Die Vertrauenswürdigkeit der Branche ist hoch. Darauf lässt sich aufbauen.

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Totgesagte leben länger

Steuern Liechtenstein lehnt den automatischen Informationsaustausch mit der Schweiz ab. Stattdessen holt das Fürstentum die Abgeltungssteuer aus der Mottenkiste.

Noch im Frühsommer war nicht die Frage ob, sondern wann die Schweiz mit Liechtenstein den automatischen Informationsaustausch (AIA) einführt. „Wir gehen davon aus, dass wir zu einem Abkommen gelangen, das dann 2019 den ersten Austausch ermöglicht“, sagte Finanzminister Ueli Maurer in einer Parlamentsdebatte und fügte an, es seien aber noch einige „Spezialitäten“ mit Liechtenstein zu regeln.

Aus diesen „Besonderheiten“ ist mittlerweile ein Sonderweg für das Ländle geworden. Statt dem automatischen Datenaustausch mit der Eidgenossenschaft holt das Fürstentum die Abgeltungssteuer aus der Mottenkiste. So würden Steuern fliessen, aber die Bankkunden blieben anonym. Ein Modell, mit dem die Schweiz noch vor ein paar Jahren vergeblich das Bankgeheimnis zu retten suchte.

„Wir möchten mit der Schweiz eine Lösung prüfen, die den steuerlichen Bedürfnissen der beiden Partnerstaaten einfacher und direkter Rechnung trägt“, sagt Katja Gey. Die Juristin leitet die Stabsstelle für internationale Finanzplatzagenden bei der Liechtensteiner Regierung. Sie geht davon aus, dass es in den nächsten Wochen „zu einer grundsätzlichen Entscheidung kommen wird“, wie die Schweiz und Liechtenstein die internationalen Standards umsetzen werden. Das federführende Staatssekretariat für internationale Finanzfragen in Bern macht dazu keine Angaben.

Die Meinung im Fürstentum ist indes längst gemacht. Man bekenne sich zwar klar zur Einhaltung internationaler Standards, so Gey. „Aber der AIA-Standard der OECD ist naturgemäss eine Regelung, welche das enge, binnenmarktähnliche Verhältnis zwischen der Schweiz und Liechtenstein nicht ausreichend berücksichtigen kann.“

Blaupause für Schweizer Lösung

Der AIA-Standard führe nämlich zu einem hohen Verwaltungsaufwand, moniert das Behördenmitglied: „Statt dass möglichst viele Daten fliessen, wollen wir uns auf jene Daten beschränken, die eine Besteuerung sicherstellen. Wenn der eine Staat für den anderen direkt die Steuern einbehält, ist es noch besser.“

Als Blaupause für eine mögliche Schweizer Lösung dient dem Fürstentum dabei ein Abkommen mit seinem Nachbarland im Osten. „Wir haben mit Österreich eine spezifische Regelung vereinbart, die die Steuerkonformität in besonderer Weise sicherstellt und den Austausch von AIA-Daten in Teilen ersetzt.“ So erheben die Liechtensteiner für die Alpenrepublik die geschuldete Steuer auf österreichische Vermögen im Ländle und überweisen diese nach Wien. „Eine ähnliche Regelung könnten wir uns auch mit der Schweiz vorstellen“, sagt Gey. Das Abgeltungssteuerabkommen mit Österreich umfasst dabei alle Vermögensstrukturen, die in Liechtenstein verwaltet werden. Konkret bedeutet dies: Das Abkommen würde nicht nur Bankkonten, sondern auch Stiftungsvermögen erfassen, das durch Liechtensteiner Treuhänder gemanagt wird.

Stiftungen sind jene Konstrukte, die seit der Finanzkrise massiv unter Druck stehen. Das internationale Bemühen um mehr Steuertransparenz führte zwischen 2011 und 2015 zu einer Halbierung der „nicht eingetragenen Stiftungen“ im Fürstentum – von 32 000 auf rund 16 000. Das nun vorgeschlagene Abgeltungssteuermodell stellt deshalb auch den Versuch dar, den Abfluss von Assets aus dem Ländle zu stoppen.

Unerwartete Wiederauferstehung

Allerdings stellt sich die Frage, ob ein solches Steuermodell international kompatibel sei. „Ich gehe nicht davon aus, dass die OECD ein Problem damit hat, wenn bilateral gleichwertige Regelungen vereinbart werden, die von beiden Staaten als adäquat angesehen werden“, sagt Gey.

Das Abgeltungssteuermodell schien bisher ein Auslaufmodell zu sein: Der früheren Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf gelang es 2012 zwar, Grossbritannien, Österreich und den deutschen Finanzminister von der Idee zu überzeugen, Geld ohne Kundendaten zu liefern – und so die Privatsphäre des Bankkunden zu gewährleisten. Doch das Abkommen scheiterte im deutschen Bundesrat. Das Schicksal der Abgeltungssteuer schien damit besiegelt zu sein.

Jetzt könnte das Modell eine unerwartete Wiederauferstehung erfahren – für bürgerliche Politiker ist das eine durchaus erfreuliche Nachricht: „Ich war stets ein grosser Promotor der Abgeltungssteuer. Daran hat sich bis heute nichts geändert“, sagt FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann, zugleich Direktor beim Schweizer Ableger der liechtensteinischen LGT Bank.

Auch für CVP-Ständerat Pirmin Bischof spricht nichts dagegen, wenn die Vermögen von Schweizer Kunden in Liechtenstein mit einer Abgeltungssteuer erfasst werden: „Es handelt sich bei der Abgeltungssteuer um ein höchst effizientes Instrument.“ Entscheidend sei allerdings die Aussenwirkung des Abkommens. Die Schweiz dürfe nicht riskieren, international erneut unter Druck zu geraten.

Kritik kommt von der SP: „Wir haben die Abgeltungssteuer als Ersatz für den AIA bereits bei Deutschland abgelehnt“, stellt Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer klar. Das Modell sei auch nicht im Sinne des Finanzplatzes: „Damit will das Fürstentum doch nur ver- hindern, dass Kunden in die Schweiz abwandern.“