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Terraoil – Wie Credit Suisse & Co Warnsignale in den Wind schlugen

Terraoil Die Credit Suisse ist Hausbank der Firma Terraoil und vermittelte ihr einen Coronakredit. Obwohl es Hinweise auf Geldwäsche gab.

Die Pläne der Terraoil waren hochtrabend. 2011 siedelte der albanische Erdölförderer in der Schweiz an. In St. Gallen bezog die Firma zunächst eine Jugendstilvilla im Osten der Stadt. Der kantonale Volkswirtschaftsdirektor Benedikt Würth lobte damals die Ansiedlung als «sehr erfreulich». Denn Terraoil verkaufte sich den hiesigen Standort-Förderern gegenüber als aufstrebende Cleantech-Firma. Die Ölfirma behauptete nämlich, ein neuartiges Förderverfahren anzuwenden, bei dem nebst Schwarzem Gold gleichzeitig auch noch CO2-freier Strom anfällt. Mit ihrem mehrfach patentierten sogenannten Hertel-Motor» würde Verdampfungsenergie einer Flüssigkeit mittels Erdwärme und Mikrowellen erzeugt und dann einem Motor zugeführt, der daraus klimafreundlichen Strom generiert. 

Warnlampen auf rot 

Was obskur tönt, ist es wahrscheinlich auch. Bereits im Artikel des St. Galler Tagblatts von 2011 anlässlich der Ansiedlungder Firma leuchten Warnlampen auf. Angefragte ETH-Fachleute haben entweder noch nie etwas von diesem sogenannten Hertel-Motor» gehört oder sie bezeichnen dessen Technik als «suspekt». Mehr noch: Hinter dem angeblichen Wunder-Motor steckt ein Erfinder namens Wolfgang Hertel, der bald darauf als Verwaltungsrat bei Terraoil Einsitz nimmt. Der Deutschkanadier mit Wohnsitz Tirana sass zuvor bei einer Zuger Firma namens IEC Europetrol. Diese hatte ebenfalls Verbindungen nach Albanien und zu dortigen zweifelhaften Ölförder-Projekten, wie kanadischen Medien berichten. Und eben dieser Hertel wurde, zwei Jahre zuvor, in London verhaftet aufgrund eines internationalen Haftbefehls. Kanada wollte ihn wegen Steuerdelikten in Millionenhöhe zur Verantwortung ziehen. Die Auslieferung nach Übersee scheiterte. Stattdessen tauchte Hertel als Motoren-Heilsbringer fürs die angebliche Cleantech-Firma Terraoil im St. Galler Handelsregister. 

Mit anderen Worten: Alleine schon ein einfacher Personen- und Faktencheck beziehungsweise eine Zeitungslektüre hätte genügt, um herauszufinden, dass bei Geschäften mit Terraoil für die CS erhöhte Vorsicht geboten ist. So verlangt es grundsätzlich das Geldwäschereigesetz. Und dies bestätigt auch Peter V. Kunz, Geldwäscherei-Experte und Professor für Wirtschaftsrecht, wie er jüngst in der Sendung «Kassensturz» sagte: Eine Bank habe eine Vielzahl von Möglichkeiten, so Kunz, mit denen sie klären könne, ob etwas faul sei. «Medienberichterstattungen sind ein Teil davon.» Das SRF-Konsumentenmagazin machte den Terraoil-Fall als erste publik. 

Wiederkehrendes Muster

Trotz dieser «red flags», wie es im Jargon heisst, ist die Credit Suisse seit Jahren Hausbank der Terraoil Swiss. Über Konten bei der Zürcher Grossbank und bei der Liechtensteiner Landesbank LLB wickelte der Zuger Erdölförderer einen beträchtlichen Teil seiner Geschäfte ab. Der «Handelszeitung» liegen diverse Spesen- und Kontoauszüge der Firma aus verschiedenen Geschäftsperioden vor. Dabei zeigt sich ein Muster: Zum Teil hohe sechsstellige Beträge werden bei Terraoil Swiss eingebucht und sofort weitergereicht. Die Beträge stammen jeweils von Kapitalgebern, die Terraoil-Aktien gezeichnet haben. Zwischenzeitlich hat gemäss Unterlagen die Firma über 200 Investoren. Die eingezahlten Beträge fliessen jedoch sogleich ab, und zwar als Darlehen («loans») an eine Tochterfirma in Albanien. 

Die kurze Verweildauer wirft Fragen auf. Allgemein gesprochen, sei dies zwar zulässig, aber  nicht üblich, findet Geldwäsche-Experte Kunz im «Kassensturz»: «Wenn Hunderttausende von Franken auf ein Konto eingezahlt werden und innert 24 Stunden geht das Geld wieder raus, dann muss die Bank erklären können, weshalb das so ist. Man braucht eine gute Erklärung, man muss nachfragen, man muss das abklären.» 

Terraoil weist Verlustvortrag von 55 Millionen Dollar aus

Sekundiert wurden die kontoführenden Banken bei Terraoil von renommierten Wirtschaftsprüfgesellschaften. Bis im Frühjahr 2020 testierte EY die Bücher der Erdölfirma. Seither ist es die BDO. Sie hat Mitte letzten Jahres auch den Abschluss für 2019 angefertigt. Dieser lässt tief blicken und nährt zugleich den Verdacht, dass es sich bei Terraoil um ein Fass ohne Boden handelt. 

So belaufen sich fürs Berichtsjahr die Einnahmen aus dem eigentlichen Kerngeschäft, der Ölförderung, bloss auf 2,5 Millionen Dollar. Demgegenüber stehen administrative Kosten von über 10 Millionen Dollar, wovon alleine die Lohnkosten für die fünf Angestellten der Zuger Muttergesellschaft 2,8 Millionen Dollar betragen. Ein stolzer Betrag. Für nicht näher bezeichnete Finanzberatungen gingen nochmals 3,6 Millionen Dollar drauf. Kurzum: Terraoil Swiss verbrannte im Berichtsjahr munter Geld. 2019 belief sich der Verlust auf über 11 Millionen Dollar. Es ist dies jedoch kein einmaliger, operativer Ausrutscher. Der Verlustvortrag der Gesellschaft seit Gründung beträgt ganze 55 Millionen Dollar.  

Buchprüfer BDO zweifelt an Terraoil

Das Setup scheint also die Gestalt eines von Beginn weg operativ unrentablen Durchlauferhitzers mit einer verhältnismässig hohen Kostenstruktur zu haben. Sie wird einzig durch wiederholte Kapitalspritzen am Leben erhalten. Selbst den Buchprüfern der BDO ist da nicht mehr ganz geheuer. Ihr bisher letztes Prüfurteil versehen sie mit dem Warnung, wonach «wesentliche Unsicherheiten in Bezug auf die Unternehmensfortführung» bestünden. Mit anderen Worten: Die Buchprüfer haben zumindest Zweifel, ob Terraoil Swiss überlebensfähig ist. 

Angesichts dieses Verdikts zum Prä-Corona-Geschäftsgang mutete es umso erstaunlicher an, dass die Hausbank Credit Suisse telquel Terraoil im Frühjahr 2020 einen vom Bund verbürgten Maximalkredit über eine halbe Millionen Franken vermittelte, wie die Handelszeitung seinerzeit berichtete. 

Ein Betrag übrigens, der deutlich höher ist also jene maximal zulässigen 10 Prozent des ausgewiesenen Umsatzes von 3,5 Millionen Franken fürs Geschäftsjahr 2019.

Inzwischen hat sich im Fall Terraoil die Staatsanwaltschaft Zug eingeschaltet. 

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Aufsicht für Finma – Big Four auf dem Prüfstand

Finma Die Aufsicht lässt Banken und Versicherer von Auditkonzernen kontrollieren. Die Praxis ist unergiebig und birgt Interessenkonflikte. Nun wird Kritik laut.

Es war kein Aprilscherz, als der Internationale Währungsfonds (IWF) am Ersten des Monats seinen Schweiz-Bericht publizierte. Darin macht der IWF «gewichtige Mängel» bei der Finanzmarktaufsicht aus: «Die Finma sollte direkt Prüfgesellschaften mandatieren und zahlen können, um potenzielle Interessenkonflikte auszuräumen.» Der IWF mahnt im Bericht die Schweiz zur «Stärkung des Governance-Rahmens der Finma».

90 Prozent fliesst an Deloitte, EY, KPMG und PwC

Die Mahnung aus Washington zielt auf den verlängerten Arm der Finma ab, die privaten Wirtschaftsprüfer. Sie verdienen jährlich über 110 Millionen Franken mit regulären Aufsichtsprüfungen bei Finanzinstituten, vornehmlich Banken. Davon fliessen über 90 Prozent an die Big-Four-Konzerne Deloitte, EY, KPMG und PwC. Gleichzeitig bildet die Kontrolle dieser privaten Auditkonzerne die Arbeitsgrundlage der Finma für Sonderprüfungen und Enforcements.

Nun gerät die reguläre Aufsichtsprüfung unter Beschuss. Paul Mathieu hat für den IWF den Schweizer Finanzsektor begutachtet und spricht von einem «sehr ungewöhnlichen Modell»: «Die Good Practice verlangt, dass die Aufseher für alle Aufsichtstätigkeiten voll verantwortlich sind.» Die Banking- und Audit-Welt sei konzentriert auf wenige gewichtige Akteure. Zwar dürften jene Firmen, die aufsichtsrechtlich prüften, nicht gleichzeitig die jeweilige Bank beraten. Und die Prüfgesellschaft müsse regelmässig rotieren. «Aber mit dem Rotationsprinzip erbringen die Auditkonzerne im Laufe der Zeit sämtliche Dienstleistungen für dieselben Banken, sodass sie voneinander abhängig sind», kritisiert IWF-Mann Mathieu.

Anschein von Einflussnahme bei Aufsichtsprüfungen der Finma

Das Schweizer Aufsichtsmodell verschärft dieses Systemproblem noch, indem nicht die Finma selbst die Prüfgesellschaften mandatiert und bezahlt, sondern die Banken und Versicherer. Dabei schnüren die Finanzinstitute in der Regel ein Mandatspäckli mit der Revisionsgesellschaft: Jene Auditfirma, die den Geschäftsabschluss der Bank auf ihre Richtigkeit prüft, liefert im Nachgang auch die regulatorische Aufsichtsprüfung mit.

Für Compliance-Experte und Rechtsanwalt Michael Kunz macht dies durchaus Sinn: «Der leitende Auditor ist bereits mit den Eigenheiten der buchgeprüften Firma vertraut.» Bei kleineren Beaufsichtigten ist häufig derselbe leitende Prüfer am Werk. Bei systemrelevanten Banken ist es zumindest dieselbe Prüfgesellschaft. «Man kann den Anschein von Einflussnahme auf Audits und Interessenkonflikte erkennen», warnt IWF-Mann Mathieu und empfiehlt deshalb ein Direktmandat der privaten Prüfgesellschaften durch die Finma, um solche Vorbehalte auszuräumen.

Auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht selbst hält den IWF-Vorschlag für «sinnvoll»: «Dies würde aber die Anpassung des gesetzlichen Rahmens bedingen und die nötige politische Unterstützung voraussetzen.» Will die Finma nämlich die Verquickung von aufsichtsund gesellschaftsrechtlicher Revision heute unterbinden, muss sich der Regulator rechtfertigen. «Dies kam auch vor», betont ein Finma-Sprecher.

Für die Aufsichtstätigkeit der Finma kommt erschwerend hinzu, dass es kaum Auswahl gibt bei anspruchsvollen Mandaten. Geht es beispielsweise um komplexe, internationale Konkursliquidationen, kommen praktisch nur die Big-Four-Konzerne in Frage: Entsprechend lukrativ sind die Sondermandate, für welche Finma-Beauftragte seit 2014 mit 165 Millionen Franken entschädigt wurden.

Potenzielle Interessenkonflikte bei Prüfgesellschaften

Peter V. Kunz, Wirtschaftsrechtler an der Uni Bern, betont: «Das Angebot von möglichen Prüfgesellschaften, aus denen die Finma für Mandate auswählen kann, ist relativ beschränkt.» Dies führe zu «potenziellen Interessenkonflikten». Allerdings hätten die Prüfgesellschaften in der Praxis – nicht zuletzt aus Angst vor Haftungsklagen – «gewisse Chinese Walls» hochgezogen. Kunz spricht sich deshalb für die bestehende duale Aufsicht mit prüfbeauftragten Privaten aus: «Dies verhindert eine aufgeblähte, kostspielige Bürokratie, was aus liberaler Sicht zu begrüssen ist.»

Allerdings gibt es nicht nur Governance-Bedenken, wenn private Prüfkonzerne die Arbeit des Finanzregulators machen. Die Finma-Spitze selbst zweifelt mittlerweile die Wirksamkeit ihrer privatwirtschaftlichen Mitarbeitenden an: In der Vergangenheit seien viele Themen eher flächendeckend geprüft worden, «ohne dass wir daraus relevante Erkenntnisse gewinnen konnten», monierte Finma-Präsident Thomas Bauer jüngst vor den Medien: «Wir sind zum Schluss gelangt, dass uns das bisherige System schlicht zu wenig Hinweise auf Probleme bei Beaufsichtigten gegeben hat.»

Prüfgesellschaften tauchen nur selten als Hinweisgeberin bei Finma-Enforcements auf

Dabei hatte die Finanzmarktaufsicht erst 2013 das Rundschreiben zum Prüfwesen revidiert. «Doch die erhoffte Steigerung des Nutzens für eine wirksame Aufsicht über den Schweizer Finanzplatz konnte nicht erreicht werden», schreibt die Finma im Revisionsbericht. Das grösste Potenzial liege bei der «Anpassung der Basisprüfung» durch private Auditfirmen. Just dort, wo auch der IWF Handlungsbedarf sieht. Unter anderem analysierte die Finma dazu die Quellen und Hinweise für ihre Enforcement-Abklärungen oder -Verfahren. «Die Prüfgesellschaften tauchten hier nur selten als Hinweisgeberin auf», schreibt die Finma auf Anfrage der «Handelszeitung». Mit anderen Worten: Der reguläre Aufsichtscheck durch private Prüfer war bislang ein teurer Papiertiger.

Nun hat die Finanzmarktaufsicht allerdings Gegensteuer gegeben: Man wolle die Vorgaben dabei noch stärker nach der «Risikosituation der Beaufsichtigten» abstufen und so das «Kosten-Nutzen-Verhältnis des Prüfwesens» erhöhen.

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Berner Betriebsamkeit im Fall Bastos

Jean-Claude Bastos Angolas Vorwürfe gegen den Staatsfondsverwalter erweisen sich als haltlos. Doch bis zuletzt leisteten Schweizer Behörden Schützenhilfe.

Das Handy-Foto zeigt Jean-Claude Bastos: abgemagert, aber zufrieden. In der Hand der angolanische und der Schweizer Pass. An der Wand ein Porträt des Präsidenten João Lourenço. Entstanden ist das Handy-Foto am Tag von Bastos Freilassung in Luanda. Nach einem halben Jahr in U-Haft.

Statt der Anklage wegen Verschwörung und Veruntreuung hat Angola verglichen und sämtliche Verwürfe fallengelassen. Mehr noch: Bastos erhielt eine Entschädigung zugesprochen. Im Gegenzug verzichtete der Schweiz-Angolaner auf vertragliche Forderungen. Die Wende in Angola wirft allerdings ein schiefes Licht auf die Schweizer Behörden: Bis zuletzt leistet Bundesbern Schützenhilfe bei Angolas Powerplay gegen Doppelbürger Bastos.

Doch der Reihe nach. Letzten April war das Geschirr zerschlagen. Der Staatsfonds FSDEA teilte öffentlich mit, Angola wolle die «finanzielle Kontrolle» über das Milliardenvehikel, das Jean-Claude Bastos seit 2013 verwaltet hatte. Zuvor hatten der Schweizer Financier und Angolas neuer Präsident João Lourenço erfolglos um die Auflösung der Verträge gerungen.

Jean-Claude Bastos erhält Gebühr in dreistelliger Millionenhöhe

Bastos hatte mit der Verwaltung des 5 Milliarden schweren Staatsfonds über 500 Millionen Dollar an Gebühren und Services verdient. Ein Gutachten, das Angolas neue Regierung bei Berater EY bestellt hatte, bescheinigte «hohe Gebühren angesichts der Portfoliogrösse». Gemeint war der liquide Teil der Staatsfondsgelder. Für jene 1,7 Milliarden Dollar konnte Angola kurzfristig das Mandat mit Bastos Zuger Firma namens Quantum Global aufkündigen. Die übrigen 3 Milliarden Dollar waren für Direktanlagen reserviert: vom Hotelturm in Luanda bis zum Hochseehafen-Projekt in Cabinda, an dem auch SBB-Frau Monika Ribar mitwirkte. Ein Grossteil der Gelder lag auf Konten in London. Nur etwa eine halbe Milliarde Dollar war in sieben sektoriellen Fondsvehikel auf Mauritius investiert.

Doch Bastos und seine Quantum hatten für die Verwaltung dieses Private-Equity-Portfolios gültige Verträge mit langen Laufzeiten. Die Rede ist von bis zu zehn Jahren. Die jährlichen Gebühren summierten sich bis 2018 auf rund 300 Millionen Dollar. Eine Fortführung hätte für Bastos und Co. also goldene Jahre mit Multimillionen-Fees bedeutet.

Bundesanwaltschaft eröffnet Strafverfahren gegen unbekannt

Was ein gewöhnlicher Disput unter Geschäftspartnern ist, nämlich die vorzeitige Vertragsauflösung, eskalierte zwischen Bastos und Angola. Mitte April stieg die neue Staatsfondsführung in den Flieger nach Mauritius. Die Mission: den Schweizer abzusetzen und der Private-Equity-Milliarden habhaft zu werden. Die Gerichte im Inselstaat folgten zunächst den Angolanern. Dutzende Quantum-Konten wurden eingefroren – ohne Bastos die Beweggründe offenzulegen. Mauritius war der Auftakt für eine weltweite Sperre seiner Vermögenswerte. Auch in der Schweiz.

Inzwischen waren nämlich die Behörden in Bern aktiv geworden. Mitte Mai rückte das Fedpol aus und durchsuchte diverse Büros von Bastos Firmen. Bundesanwalt Michael Lauber hatte zuvor ein Strafverfahren gegen unbekannt eröffnet wegen Geldwäschereiverdachts, unter anderem «gegen das Vermögen des angolanischen Staatsfonds». Sein Bruder Emanuel Lauber, der oberste Steuerfahnder des Bundes, nahm praktisch zeitgleich die Ermittlungen gegen Bastos und Co. auf – unter anderem wegen des «Verdachts des Steuerbetrugs und der Hinterziehung».

Laubers Fiskalfahnder gingen forsch vor: Sie liessen mittels Spezialfirma einen Tresor bei Bastos Exfrau im Tessin knacken und verarrestierten Bankkonti aus seinem erweiterten Firmenumfeld. «Die jüngsten Äusserungen in der Presse sind zu berücksichtigen, die weitere Bedenken bei den Behörden erwecken», verteidigten die Bundesvertreter später ihre akribischen Arrestaktionen. Ein Kantonsgericht rügte danach, dass sich «aus den von den Klägern eingereichten Beilagen weder ein Rechtsmissbrauch noch ein Steuervergehen» ableiten lasse. Die Steuerstrafuntersuchung gegen Bastos ist hängig.

Staatssekretärin Pascale Baeriswyl trifft Angolas Justiziar

Während Steuerfahnder Lauber die Offshore-Konstrukte durchleuchtete, lud Bundesanwalt Lauber sein angolanisches Pendant im Juli zum Arbeitstreffen nach Bern. Generalstaatsanwalt Pitta Gróz hoffte danach im «Tages-Anzeiger», schon «in dreissig bis vierzig Tagen» genügend Beweise gesammelt zu haben, um Bastos vor Gericht zu stellen. Doch weder stellte Angola je ein Rechtshilfegesuch an die Schweiz, noch klagte Pitta Gróz den Ex-Staatsfondsverwalter an. Vielmehr erging Mitte August ein Urteil am britischen High Court, das den Kontensperren die Legitimation weitgehend entzog. Keinen Monat später setzte Angola Jean-Claude Bastos in U-Haft. Dies obwohl man ihm bereits die Pässe abgeknöpft hatte und er sich regelmässig bei den Behörden melden musste. Der Haftantrag basierte auf einem möglichen Interessenkonflikt bei einem 150-Millionen-Dollar Hotelprojekt aus dem Jahre 2015. Ein Projekt, das von Behördenvertretern abgesegnet worden war.

Trotz zweifelhaften Zwangsmassnahmen weibelte Bundesbern weiter. Im November reiste Staatssekretärin Pascale Baeriswyl nach Luanda, um über Justizfragen zu sprechen. Kurz vor Weihnachten traf sie Angolas Generalstaatsanwalt und den Justizminister in Bern. «Ein fruchtbarer Austausch über gegenseitige Rechtshilfe», twittere Baeriswyl nach dem Treffen.

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Raiffeisen – Abschreiben im Streit

Raiffeisen Die neue Führung schreibt das KMU-Portfolio ab. Die Wertberichtigung auf den Investnet-Firmen interessiert auch die Staatsanwaltschaft.

Dialog bringt uns weiter. So lautet das Motto von Raiffeisen für ihren Geschäftsbericht 2018, der Anfang April erscheint. In der Affäre um das KMU-Beteiligungsvehikel Investnet ist der Gesprächsfaden jedoch längst gerissen.

Raiffeisen ficht die Verträge mit den Minderheitsaktionären an. Die Investnet Holding gehört zu 40 Prozent den beiden Gründern Peter Wüst und Andreas Etter sowie Raiffeisen-Ex-Chef Pierin Vincenz. In ihrer Nichtigkeitsklage argumentiert die Genossenschaftsbank mit «Willensmängeln», also von Vincenz und Co. getäuscht worden zu sein. Womit auch der Aktionärsbindungsvertrag Makulatur sei. Die Raiffeisen-Argumentation basiert auf einer laufenden Strafuntersuchung. Gegen alle drei Investnet-Minderheitsaktionäre ermittelt die Zürcher Staatsanwaltschaft nämlich seit letztem Frühjahr wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung.

Unterlagen zur Wertanpassung

Inmitten der straf- und zivilrechtlichen Auseinandersetzung hat die neue Raiffeisen-Führungscrew um Chef Heinz Huber und Präsident Guy Lachappelle nun eine substanzielle Wertberichtigung auf eben diesem KMU-Beteiligungsvehikel vorgenommen: Das Portfolio umfasst über dreissig Firmen in der Schweiz, Deutschland und Österreich und wird statt der bisherigen 305 Millionen Franken noch mit 180 Millionen Franken in den Büchern stehen. Diese Wertanpassung interessiert nun offenbar auch die Zürcher Staatsanwaltschaft. Schliesslich stehen Vincenz und Co. im Rahmen der Strafuntersuchung in Verdacht, die Genossenschaftsbank mit verdeckten Treuhandverträgen beim Investnet-Einstieg getäuscht zu haben. Der leitende Strafermittler Marc Jean-Richard-dit-Bressel hat deshalb die Unterlagen zur Investnet-Wertanpassung edieren lassen, wie die «Handelszeitung» erfahren hat. Auf Anfrage hält sich die Staatsanwaltschaft bedeckt. Auch die Bank macht keine Angaben zu den «laufenden Verfahren».

Besonderes Augenmerk auf Werterhalt

Die neue Raiffeisen-Führungscrew nimmt beim KMU-Portfolio also eine Bewertungsanpassung von 125 Millionen Franken vor. Davon sind gemäss der Bank rund 100 Millionen Franken Wertberichtigungen und Abschreiber auf Goodwill. 25 Millionen entfallen auf Rückstellungen für Rechtskosten. Die Führung spricht nach dem Schritt von einem «realistischen finanziellen Bild». Eines, das für das neue Management wohl eine möglichst gute Ausgangslage schafft.

Denn noch im jüngsten Halbjahresbericht betonte Raiffeisen, dass man dem «Werterhalt der Portfoliogesellschaften» ein «besonderes Augenmerk» schenke. Auch steht der Abschreiber in Kontrast zu einem Bewertungsgutachten, das Raiffeisen seinerzeit selbst bei EY in Auftrag gegeben hatte. Die «Big Four»-Wirtschaftsberater kommen darin zum Schluss, dass per Ende 2017 der Substanzwert nur schon auf den 14 grössten Beteiligungen aus dem KMU-Portfolio mehr als 110 Millionen Franken betragen würden. Der Substanzwert gilt gemeinhin als Preisuntergrenze, da er die zukünftige Ertragskraft einer Firma nicht berücksichtigt.

Viel Upside für Ulf Berg

Die EY-Schätzung macht also deutlich, wie konservativ das Duo Lachappelle und Huber nun das KMU-Portfolio bewertet. Dies erlaubt zum einen dem neu angeheuerten Portfoliomanager – BLR & Partners – um EMS-Präsident Ulf Berg und Sunrise-Präsident Peter Kurer einen unbeschwerten Start mit viel finanziellem «Upside». Zum anderen dürfte das Vorsichtsprinzip der neuen Führung den Standpunkt der Bank in den laufenden Rechtsverfahren untermauern, wonach Raiffeisen sich unter der Führung von Ex-Chef Pierin Vincenz das Investnet-Portfolio teuer erkauft habe. Der neue CEO Heinz Huber erklärte denn auch an der Jahrespressekonferenz, dass der Abschreiber seinen «Ursprung» in der Ära Vincenz habe.

Gutachten beim Investnet-Einstieg

Das Manöver erscheint durchsichtig. Ob es juristisch verfängt, bleibt abzuwarten. Denn der finanzielle Einstieg der Genossenschaftsbank in das KMU-Vehikel Investnet 2012 war keine klandestine Hauruck-Aktion von Pierin Vincenz und seinem dauermandatierten Freund Beat Stocker. Vielmehr war es Patrik Gisel, der damalige Leiter Markt und spätere Bankchef, der mit den Investnet-Gründern den Einstieg zu Ende verhandelte. Gisel stützte sich in den Verhandlungen auf ein Gutachten zu Investnet, das die Bank bei der Finanzboutique IFBC eingeholt hatte. Geschrieben hatte es der Corporate-Finance-Experte Thomas Vettiger. Dieser wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern. Fest steht, dass der damalige Raiffeisen-Verwaltungsrat wie auch die Geschäftsleitung Kenntnis vom IFBC-Papier hatten. Die Empfehlungen wurden aber nicht «eins zu eins» übernommen, sagt ein Involvierter. Die Sache nahm ihren Lauf.

Am 1. Juli 2020 wären nun Vincenz, Etter und Wüst berechtigt, ihre Investnet-Anteile der Raiffeisen Schweiz zu «einer definierten Bewertungsmethodik» anzudienen. Ob die Bank zahlen muss, dürften wohl die Gerichte entscheiden.

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Die treibende Kraft

Falcon Bank Die Zürcher Bank wusch 1,8 Milliarden Dollar aus dem Malaysia-Staatsfonds 1MDB. Nun liegen neue Details zur Transaktion vor.

Eduardo Leemann ist gerade beim Trekken in Patagonien, hat selten Telefonempfang und keinen Kommentar zum Fall abzugeben, wie er per SMS mitteilt. Im Frühjahr 2013 dagegen befasste sich der damalige Chef der Zürcher Privatbank Falcon intensiv mit der Milliarde aus Malaysia, wie neue Gerichtsdokumente zeigen: Leemann telefonierte wiederholt mit Jho Low, dem flüchtigen Mastermind hinter dem Betrugsfall um den malaysischen Staatsfonds 1MDB. So auch am 25. März 2013, als sich der Schweizer Banker am Telefon bei Low beklagte, dass die Dokumentation der transferierten Vermögenswerte schlichtweg ungenügend sei: «Wenn es sich jemand nur schon aus der Ferne ansieht, wird das zum Problem.»

Prophetische Worte Leemanns. Denn der 1MDB-Fall bescherte Falcon Jahre später eine Sanktion der Finanzmarktaufsicht. Und der Fall treibt weltweit die Behörden bis heute um. Zuletzt geriet Goldman Sachs ins Visier der Strafverfolger.

Zum Wohle des malaysischen Volkes

Trotz Leemanns Mahnung gab die Zürcher Bank Falcon 2013 schliesslich grünes Licht für die Buchungen eines malaysischen Geschäftsmannes, ohne Geldwäscherei-Meldung zu erstatten. So gingen zwischen 21. und 25. März 1,26 Milliarden Dollar auf Falcon-Konti ein, von denen 1,06 Milliarden gleich wieder abflossen. Bis im Herbst 2013 wurden rund 1,8 Milliarden Dollar über die Bank gewaschen. Zum Vergleich: Falcon verwaltete seinerzeit knapp 14 Milliarden Franken.

Was Jho Low beziehungsweise sein Strohmann Eric Tan bei Falcon durchschleusten, waren Vermögen des malaysischen Staatsfonds 1MDB. Jenes Staatsfonds zum Wohle des malaysischen Volkes, der bis 2013 6,5 Milliarden Dollar geäufnet hatte, von denen schliesslich mehr als 2,7 Milliarden Dollar veruntreut wurden. Mit dem Geld finanzierten Jho Low und Co. ihr Luxusleben und hielten Politiker und hohe Beamte in Malaysia und Abu Dhabi bei Laune.

Compliance der Falcon übersteuern

Der 1MDB-Fall ist ein Lehrstück in globaler Wirtschaftskriminalität. Aber nicht nur. Der Fall zeigt auch exemplarisch, wie die Teppichetage einer Bank die eigene Compliance übersteuern kann. «Aus verschiedenen Telefonaufzeichnungen ergibt sich, dass der damalige CEO Eduardo Leemann nach Wahrnehmung der Angestellten zumindest zeitweise Druck ausübte, damit die Transaktionen rasch genehmigt würden», heisst es in einem jüngst ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVG). Leemann sei «die treibende Kraft» gewesen, welche die Transaktion durchführen wollte. Auch der damalige Falcon-Präsident Mohamed Al-Husseiny habe Druck ausgeübt.

Die Bankspitze peitschte also den Milliardentransfer durch, obwohl es von Anbeginn an klare Verdachtsmomente für Geldwäsche gab: Im Winter 2012 eröffnete ein Mann namens Eric Tan bei der Falcon-Filiale in Singapur mehrere Konten für seine Offshore-Gesellschaften. Tan wurde der Bank als Person aus dem Umfeld des malaysischen Premiers eingeführt. Als erfolgreicher Geschäftsmann, der gemäss Knowyour-Customer-Dokumentation ein geschätztes Vermögen von 135 Millionen Dollar hatte. Bei Falcon rechnete man deshalb mit Vermögenszuflüssen von etwa 60 Millionen Dollar. Was Tan in einem Mail am 18. März 2013 an Falcon-Chef Leemann und seine Kundenberaterin in Zürich dann aber ankündigte, sprengte mit 1,2 Milliarden Dollar jeglichen Rahmen. Seine Gesellschaften auf den Britischen Jungferninseln würden «private Darlehensvereinbarungen» mit drei Offshore-Fonds eingehen, lautete die Plausibilisierung des Jho-Low-Strohmanns. In Tat und Wahrheit stammte der Milliardenbetrag jedoch aus einer Bond-Emission des Staatsfonds 1MDB.

Wichtige Dokumente fehlten

Bei der verantwortlichen Falcon-Filiale in Singapur läuteten die Alarmglocken. Noch am Tag der ersten Transaktion war der dortige Filialleiter der Ansicht, dass diverse wichtige Fragen offen seien und Dokumente ausstünden über Herkunft und Verwendung der Gelder und die Frage, weshalb die Transaktionen überhaupt über die Bank laufen müssten. Schliesslich sollte Tans Milliarde von der Schweizer BSI eingebucht werden: Weshalb also wickelte die Tessiner Bank die Darlehensvereinbarungen nicht selber ab? Zumal für Falcon bloss 120 000 Franken an Überweisungsgebühren winkten. «Die ganze Transaktion stinkt zum Himmel nach Geldwäscherei», sagte der damalige Singapur-Leiter gemäss Gesprächsprotokollen.

Doch das verbale Aufbäumen des Bankers nützte ihm später wenig. Er geriet trotzdem in die Mühlen der 1MDB-Ermittlungen. Die Monetary Authority of Singapore entzog im Frühjahr 2017 der Falcon-Filiale die lokale Lizenz. Ihr Leiter musste für 28 Wochen hinter Gitter und erhielt im Stadtstaat ein lebenslanges Berufsverbot. Dabei hatte der Singapur-Leiter Falcon-Chef Leemann direkt kontaktiert, als ein Teil des Geldes bereits eingebucht und weiter distribuiert worden war. Auch Leemann missfiel der Milliardentransfer sichtlich und er wandte sich mit drastischen Worten in einer Telefonkonferenz an seinen damaligen Präsidenten Mohamed Al-Husseiny: «Dies ist nicht professionell, unvorbereitet und amateurhaft. Die erhaltene Dokumentation ist ein Witz, Mohamed, ein Witz! (…) Entweder du sprichst jetzt mit Jho und sagst ihm, dass er eine Dokumentation liefern soll, mit der meine Compliance leben kann, oder wir haben ein grosses Problem.»

Heikle Punkte

Passiert ist nichts. Trotz klaren Verdachtsmomenten machte die Bank keine Meldung an die Geldwäscherei-Meldestelle MROS. Nicht zuletzt, weil Präsident Al-Husseiny die Geschäfte stets zu plausibilisieren suchte und für die Rechtmässigkeit der Transfers bürgte. Was die operative Falcon-Führung damals nicht wusste: 1MDB-Mastermind Jho Low hatte den Bankpräsidenten längst gekauft, indem er Al-Husseiny bereits 2012 verdeckt rund 66 Millionen Dollar überwiesen hatte.

Das Doppelspiel von Präsident Al-Husseiny fiel allerdings auf fruchtbaren Boden: Das BVG-Urteil hält fest, dass die damalige Geschäftsleitung um CEO Leemann und COO Tobias Unger «in Kenntnis der möglicherweise geldwäschereirechtlich heiklen Punkte» agierte und die Compliance «über weite Strecken keine Entscheidbefugnis hatte, sondern vielmehr als eine Art Stabsstelle» fungierte. Dennoch attestierte der damalige Revisor Ernst & Young Falcon noch Mitte 2015, die Geldwäscherei-Prävention sei «grundsätzlich angemessen».

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Showdown in Luanda

Jean-Claude Bastos Der Ex-Staatsfonds-Verwalter aus der Schweiz hat einen juristischen Sieg errungen. Doch dem Investor droht weiterhin viel Ärger in Angola.

Deutlich fällt das Urteil von Andrew Popplewell Mitte Monat aus. Der Richter am High Court of England and Wales spricht von einer «unfairen Darstellung», die weit über «unbeabsichtigte Versehen» hinausgehe und zentrale Elemente des Verfahrens betreffe. «Die Pflichtverletzungen sind ausreichend schwerwiegend, um das Einfrieren der Vermögenswerte aufzuheben und keine neuen Massnahmen mehr zu gewähren.»

Das Verdikt aus London ist die jüngste Wendung in der juristischen Schlacht zwischen Jean-Claude Bastos, dem Ex-Staatsfonds-Verwalter mit Heimatort Welschenrohr, der ohne Pass in Angola festsitzt, und den dortigen Behörden. Noch im April hatte der High Court vorsorglich das weltweite Einfrieren von 3 Milliarden Dollar an Staatsfonds-Geldern angeordnet, die in von Bastos kontrollierten Private-Equity-Vehikeln auf Mauritius und anderswo lagen.

Globale Kontensperre

Die globale Kontensperre entzog Bastos und dessen Zuger Quantum Global auf einen Schlag die flüssigen Mittel. Die Sperre basierte unter anderem auf dem Verdacht des «Vertragsbruchs und der Verschwörung mit unrechtmässigen Mitteln». Nur drei Monate später erfolgt nun die Rolle rückwärts, nachdem Richter Popplewell die Eingabe materiell geprüft hat. Er kommt zum Schluss, dass Bastos’ Fondsverwaltung zumindest handelsrechtlich einer ersten Prüfung standhält. Dafür dürften Geschäftspartner und Anwalt Thomas Ladner, aber auch ehemalige Weggefährten wie der Zuger Wirtschaftsadvokat Martin Neese oder die Ex-Mitarbeiterin der Wirtschaftskanzlei Walder Wyss, Rahel Rosenow, gesorgt haben. Der jüngste Entscheid ist ein Rückschlag für Angolas Präsidenten João Lourenço, der seit Amtsantritt im letzten Jahr gegen die Getreuen seines langjährigen Vorgängers José Eduardo dos Santos ins Feld zieht. Unter anderen gegen Santos-Sohn Zenú, den Ex-Staatsfonds-Präsidenten, und seinen Freund Jean-Claude Bastos.

Gerungen wird um den 5-Milliarden-Dollar schweren Staatsfonds namens FSDEA (Fundo Soberano de Angola), dessen Verwalter Bastos ab 2013 war. Seit dieser Zeit bezogen er und sein weit verzweigtes Firmengeflecht Gebühren von 560 Millionen Dollar, wie aus dem Urteil hervorgeht. Darin eingerechnet sind 49 Dienstleistungs-Kontrakte für über 150 Millionen Dollar, die der FSDEA an Bastos-eigene Firmen vergab, die auch in der Schweiz ansässig sind. Beispielsweise flossen 10 Millionen an die PR-Firma Djembe oder 36 Millionen an die African Innovation Foundation mit Sitz in Zürich, deren Präsident der Ex-Chef der Deza, Walter Fust, ist.

Machtwechsel bringt Wende

Die enge und lukrative Geschäftsbeziehung zum FSDEA kam mit dem Machtwechsel in Angola letzten Sommer rasch unter Beschuss. Im Nachgang zur Paradise-Papers-Enthüllung liess die neue Regierung im Dezember vom Beratungsunternehmen EY einen Report erstellen, der die Verwaltung des «Fundo» durchleuchtete. Danach entliess man Zenú als FSDEA-Präsidenten und machte sich daran, Quantum Global als Verwalterin abzusetzen. Zunächst entzog der Staatsfonds im Frühjahr dem Zuger Finanzdienstleister ein liquides 2-Milliarden-Dollar-Portfolio.

Ein Mandat, das Bastos über die Jahre rund 80 Millionen Dollar eintrug und dessen Verwaltungsgebühr der EY-Report als «hoch angesichts der Portfoliogrösse» taxiert. «Hoch» sei allerdings eine «verhältnismässig geringfügige Basis für einen Betrugsvorwurf», meint Richter Popplewell. Solche und ähnliche Relativierungen ziehen sich wie ein roter Faden durch das 34-seitige Urteil, mit dem der Richter des High Court die globale Kontensperre aufhob. Popplewell zerzaust Angolas Klage, die von der internationalen Wirtschaftskanzlei Norton Rose Fulbright erarbeitet wurde, und zwar formal wie materiell. So sei London gar nicht der geeignete Gerichtsstand und die Kontensperre sei sowieso unnötig, weil keine Gefahr der Veruntreuung bestehe. Denn von den 3 Milliarden an Private-Equity-Geldern, die Bastos hätte investieren sollen, liegen 2,2 Milliarden Dollar unangetastet und flüssig bei Northern Trust. Und das US-Finanzhaus billigt seit Frühjahr nur noch Transaktionen, wenn Quantum und «Fundo» gemeinsam zustimmen.

Prima vista professionell

Weiter sieht der Richter keine stichhaltigen Punkte für eine Verschwörung zwischen Zenú und Bastos mit dem Ziel, den Staatsfonds zu plündern. Und auch der Auswahlprozess von Quantum Global als Fondsmanager sei damals – a prima vista – professionell abgelaufen. Weder die Investments selbst, die vereinbarten Fees noch die in den Paradise Papers enthüllten Offshore-Strukturen seien besonders aussergewöhnlich oder verdächtig. Strukturen, in denen auch SBB-Präsidentin Monika Ribar als VR einer Offshore-Hafen-Firma aufgetaucht ist. Und selbst der von der Regierung in Auftrag gegebene EY-Report bezeichnet die Gebühren von Bastos’ Private-Equity-Vehikeln als «traditionell».

Hingegen kritisiert Richter Popplewell mehrfach, dass die Kläger wichtige Fakten unterschlagen oder sogar falsch dargestellt hätten. In dieser Pflichtverletzung resultiert die nun erfolgte Aufhebung der Kontensperre. Denn selbst bei heiklen Geschäftskonstellationen sicherte sich der Fondsverwalter juristisch ab: In ein Hotelprojekt in Luanda flossen 157 Millionen Dollar an Staatsfonds-Geldern. Bastos agierte als Co-Investor. Quantum legte diesen und andere «potential conflicts of interest» 2016 offen und der FSDEA erliess eine Verzichtserklärung auf betroffene Projekte.

Angola-Verfahren ist entscheidend

Auch wird im UK-Urteil betont, dass der Staatsfonds bis im Mai 2013 gar nicht von Bastos-Freund Zenú präsidiert wurde, sondern vom späteren Finanzminister Armando Manuel. Für einen britischen Richter mag dies Beweis genug sein für die personelle Unabhängigkeit des «Fundo». Doch: «Popplewell ist ein Handelsrichter, der Verträge liest und interpretiert», schreibt der regimekritische Journalist Rafael Marques: «Nur ein Kenner der angolanischen Verhältnisse versteht, dass Manuel stets ein Protegé von Zenú war, aber dies vor einem britischen Gericht zu beweisen, ist unmöglich.»

Matchentscheidend wird deshalb das Strafverfahren in Angola sein, das der Generalstaatsanwalt gegen Zenú und Bastos anstrengt. Will der Schweizer den Kopf aus der Schlinge ziehen, werden wohl massive finanzielle Konzessionen nötig, nicht zuletzt weil Präsident Lourenço seine Macht konsolidiert. Bald schon übernimmt er den Vorsitz der Staatspartei MPLA. Seine Rücksichtnahme gegenüber dos Santos und dessen Getreuen dürfte weiter schwinden.

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Ernst & Old

EY Der Wirtschaftsprüfer bietet 11 Millionen Franken zugunsten der Konkursmasse des kriminellen Brokers Sogevalor an. Ein Ablass für frühere Audit-Mängel.

Kurz vor Weihnachten erhielten die wichtigsten Gläubiger des Tessiner Effektenhändlers Sogevalor Post von Liquidator Ivan Paparelli. Darin informiert Paparelli das gute Dutzend „Top-Creditors“, der Buchprüfer EY sei bereit, 11 Millionen Franken in die Konkursmasse von Sogevalor einzuschiessen. Die Zahlung sei Teil eines Vergleichs zwischen dem Sogevalor-Liquidator und EY, heisst es im Schreiben, das der „Handelszeitung“ vorliegt.
Im Gegenzug hätten die Gläubiger alle rechtlichen Ansprüche gegenüber dem Buchprüfer fallenzulassen (siehe Ausriss). EY selbst nimmt zum Verfahren keine Stellung: Man habe Stillschweigen vereinbart, sagt ein Sprecher. Dass ein Big-Four-Buchprüfer aus freien Stücken Millionen zahlen will, ist einigermassen erstaunlich.
Die Verzichtsofferte von EY an die Geschädigten des kriminellen Effektenhändlers markiert indes nur eine weitere Episode im Sogevalor-Fall, der längst zur Tessiner Justizposse mutiert ist. So veruntreute der Effektenhändler Anlagegelder und hinterliess 2004 über 300 Geprellte und eine Schadenssumme von gegen 140 Millionen Franken. Doch auch im 13. Jahr nach dem Bewilligungsentzug durch die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) brüten noch immer Heerscharen von Rechtsanwälten über dem Sogevalor-Geflecht beziehungsweise prüfen die Rolle von Auditor EY und der Finanzaufsicht.
Das Unheil nimmt zur Jahrtausendwende seinen Anfang, als die EBK (heute Finma) der Tessiner Treuhandfirma Sogevalor die Lizenz erteilte, mit Aktien und Optionen zu handeln. Die Bankenkommission hätte Sogevalor die Effektenhändler-Lizenz niemals erteilen dürfen. Denn die von EY revidierte Firma sei zu diesem Zeitpunkt bereits überschuldet gewesen. So lautet der Vorwurf des wichtigsten Sogevalor-Gläubigers Daniel Staton. Der US-Investor hat seit Jahren eine Staatshaftungsklage gegen die Eidgenossenschaft in Bern rechtshängig, doch den Glauben in die Schweiz hat er längst verloren: „Das hiesige Justizsystem schützt die Finanzdienstleister.“

Aussichtsloser Kampf
Trotz Ungereimtheiten darf Sogevalor nämlich als Effektenhändler starten: Der Tessiner Treuhänder lockt fortan Anleger mit Traumrenditen und dem Testat eines renommierten Buchprüfers. „Ich habe nur in Sogevalor investiert, weil die Firma durch Ernst & Young auditiert wurde“, sagt Staton, der über 25 Millionen Franken verloren hat. Für ihn ist klar: „Die EY-Auditoren haben als Prüfer im Bewilligungsverfahren und später als Prüfer des Effektenhändlers Sogevalor fahrlässig agiert.“ Nur drei Jahre nach Lizenzerteilung erhält die Bankenaufsicht 2003 erste Hinweise, dass bei Sogevalor ein Geldwäschereiverdacht besteht. Die Aufsicht lässt daraufhin eine Spezialprüfung durch die EY-Auditoren durchführen. Fazit: Keine schwerwiegenden organisatorischen Mängel. Trotz Segen des Auditors reissen die Kundenklagen bei Sogevalor nicht ab. Im Spätsommer 2004 zieht die EBK beim Tessiner Effektenhändler schliesslich den Stecker. Die Aufsicht entzieht Sogevalor die Bewilligung und eröffnet den Konkurs. Die Chefs landen in Untersuchungshaft, nachdem die Finanzmanager über Jahre Geld veruntreut und systematisch Falschangaben gemacht haben. Erst die ausserordentliche Revision durch EY-Konkurrentin Deloitte bringt das Ausmass der Verfehlungen ans Licht: Akute Gläubigergefährdung und schwerwiegende organisatorische Mängel.
Mit dem Befund wird die Sogevalor-Pleite auch zum EY-Fall, der den renommierten Buchprüfer bis heute beschäftigt. Denn der verantwortliche EY-Revisor hatte über Jahre die faulen Bücher der Sogevalor-Führung testiert. Die Bankenkommission führte deshalb 2005 ein Verfahren gegen EY und den Revisor zur Geschäftstätigkeit bei Sogevalor durch.
Die EBK kommt darin zum Schluss, der Buchprüfer habe die Berufsprinzipien verletzt, die Kapitalstärke der Gesellschaft nicht kontrolliert und Klumpenrisiken übersehen. Die Aufsicht erteilte in der Folge dem leitenden Revisor Berufsverbot, rügte EY und mahnte eine „interne Qualitätskontrolle“ an.

US-Staatsanwalt Bharara lädt vor
Denn die Verfehlungen wiegen schwer: Beispielsweise stellte Sogevalor Rechnungen für Beratungsdienstleistungen an eine amerikanische Firma namens Dumont Investments, deren Investment-Vehikel zu 100 Prozent von Sogevalor-Kunden gehalten wurden. Was de facto hätte konsolidiert werden müssen, wurde – trotz entsprechender Dokumentation – vom EY-Auditor nicht gewürdigt, sodass die Überschuldung des Brokers nicht eintrat.
Der Business-Link von Sogevalor in die USA hat auch für EY ein Nachspiel: Im Frühjahr stellte Liquidator Paparelli ein Informationsgesuch an den berüchtigten New Yorker Staatsanwalt Preet Bharara, um Licht ins Firmengeflecht zu bringen. In diesem Zusammenhang erhielt auch die New Yorker Filiale von Ernst & Young eine Vorladung, um die US-Staatsanwälte im Sogevalor-Fall zu dokumentieren.